„Das ist eine Kriegserklärung“

Bezirke laufen Sturm gegen die Neuregelungen zu Einsparvorgaben im Haushalt

Von Rainer Rutz

Für SPD-Fraktionschef Raed Saleh ist die Sache klar: Das Haushaltsgesetz 2024/25 sei „auch eine Liebeserklärung an das soziale Berlin“. Das zeige sich schon daran, dass Schwarz-Rot die Mittel im sozialen Bereich massiv aufgestockt habe. Saleh sagt: „Diese Koalition liefert.“ Stimmt, sagen Kritiker:innen, allerdings liefert sie das Falsche.

Kurz vor der Verabschiedung des Doppelhaushalts haben die Bezirke nun noch einmal ein Feuerwerk der Kritik gezündet. In einem gemeinsamen Schreiben an das Abgeordnetenhaus warnen alle zwölf Be­zirks­bür­ger­meis­te­r:in­nen vor einem „Kahlschlag der sozialen Infrastruktur“, sollte der Haushalt wie geplant durchkommen.

Die Bezirke laufen insbesondere Sturm gegen eine von CDU und SPD nachträglich durchgedrückte Neuregelung: Ungenutzte Personalmittel in den Verwaltungen sollen nicht mehr dazu beitragen, die im Haushalt mit eingepreisten generellen Einsparvorgaben zu erfüllen. Bislang war das gang und gäbe. Damit wird nun Schluss sein.

Das geht so nicht, heißt es in dem Schreiben aus den zwölf Bezirksämtern. Die Spielräume bei den nicht zweckgebundenen Ausgaben seien schlicht zu gering. „Zwangsläufig“ werde man daher „bei der sozialen Infrastruktur sparen“ müssen – bei Angeboten zur Bekämpfung von Suchterkrankungen etwa oder Jugend- und Seniorenclubs.

„Es wird uns jetzt nicht mehr gelingen, die Einsparvorgaben zu erfüllen, ohne Einrichtungen zu schließen“, sagt Mittes Bürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) zur taz. In Mitte müssten 13 Millionen Euro eingespart werden. Zur Einordnung: Mit 11 Millionen Euro betreibt der Bezirk fast 60 Jugendeinrichtungen. Remlinger ist fassungslos: „Die schwarz-rote Koalition zeigt, dass sie Berlin überhaupt nicht versteht. Das ist keine Liebeserklärung, sondern eine Kriegserklärung an das soziale Berlin.“

Angesichts der Tabula-rasa-Regelung zu den Personalmitteln hat sich Remlinger am Mittwoch zu einem drastischen Schritt entschlossen: Die bereits seit Juni in Mitte laufende, aber eigentlich nur temporär gedachte Haushaltssperre wird ins Jahr 2024 verlängert. Mitte folgt damit dem Bezirk Neukölln, der bereits am Dienstag eine Haushaltssperre für das kommende Jahr verkündet hatte.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh ficht das nicht an: „Die Bezirke verfügen allesamt über sehr große Rücklagen.“ Wie Saleh darauf kommt, sei ihr ein Rätsel, sagt Grünen-Politikerin Remlinger: „Unsere sogenannte Ergebnisrücklage von 2022 ist bereits vollumfänglich aufgelöst für den Doppelhaushalt.“ Anders ausgedrückt: Das Geld ist schon weg.