Berliner CDU: Wer im Glashaus sitzt

100 „verlorene Tage“ seit dem Start von Rot-Rot-Grün bilanziert Fraktionschef Florian Graf, während sich parallel dazu seine Parteifreunde in Zehlendorf zerlegen.

Ist „richtig wütend“: CDU-Landeschefin Monika Grütters Foto: dpa

Florian Graf flüchtet sich in Wettermetaphern. Ein schöner Frühlingstag sei dieser Donnerstagmorgen, an dem der Chef der CDU-Abgeordnetenhausfraktion vor Journalisten eine desaströse Bilanz von 100 Tagen Rot-Rot-Grün zieht. „Ein bisschen stürmisch kommt es aus dem Südwesten daher“, räumt er noch ein. Der Südwesten, das ist der CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf. Und was sich da mit gefälschten Stimmzetteln abspielt, hat seine Landeschefin Monika Grütters am Vorabend als „abstoßend“ bezeichnet.

Vor diesem Hintergrund über den am 8. Dezember geformten Senat als regierenden „Scherbenhaufen“ zu sprechen, hat daher etwas von im Glashaus zu sitzen und mit Steinen zu werfen. Graf, selbst CDU-Kreischef in Tempelhof-Schöneberg, rechtfertigt sich mit den unterschiedlichen Ebenen: hier Fraktion, dort Partei, hier Landesparlament, dort Kreisverband.

Seine Kritikpunkte sind nicht neu: die Debatte um Stasi-Staatssekretär Holm, der Streit um Videoüberwachung und das Hickhack bei der Flughafenbaustelle BER. Neu ist, dass Graf ein Volksbegehren zu mehr Videokameras in Aussicht stellt. Er nimmt das Wort selbst nicht in den Mund, spricht nur von direkter Demokratie – aber auf einem Bildschirm ist parallel zu seinen Worten zu lesen: „Warum lassen wir die Berliner nicht selbst über ihre Sicherheit abstimmen? Mit einem Volksentscheid“.

Graf mag sich nicht darauf festlegen, ob die CDU dabei eine so zentrale Rolle spielen würde wie die FDP bei dem Volksbegehren zum Flughafen Tegel. Ihm schwebt vor, eine laufende Onlinepetition und gesellschaftliche Initiativen zu unterstützen. Konkret nennt er das von Exjustizsenator Thomas Heilmann im Januar angestoßene Bündnis unter anderem mit Neuköllns Exbürgermeister Heinz Buschkowsky von der SPD.

Aktuell hat Heilmann allerdings genug damit zu tun, um die CDU-Bundestagskandidatur in Steglitz-Zehlendorf zu kämpfen. Dort waren bei einer Mitgliederbefragung um die Jahreswende rund 350 gefälschte Abstimmbögen aufgetaucht. Für die macht eine vom CDU-Landesvorstand eingesetzte Untersuchungskommission Heilmanns Gegenkandidaten Karl-Georg Wellmann, seit 2005 der örtliche Bundestagsabgeordnete, zumindest als Mittäter verantwortlich und empfiehlt Strafanzeige.

Landeschefin Grütters gab sich nun zwar „richtig wütend“ und sagte, die Verantwortlichen „sollten sich schämen, statt auch noch Interviews zu geben“ – mit Journalisten hatte sowohl Wellmann als auch Heilmann gesprochen. Sie hält aber daran fest, dass das Ganze eine Angelegenheit des Kreisverbands sei.

Am Sonntagnachmittag kommt es zum großen Showdown: Dann können im Cole-Sport-Center in Zehlendorf theoretisch alle 2.200 CDUler des Südwestbezirks entscheiden, ob Wellmann oder Heilmann ihr Kandidat sein soll. Die Fälschung aber bleibt höchstwahrscheinlich bis dahin unaufgeklärt, und für viele in der Landes-CDU ist die Vorstellung ein Graus, die örtlichen Parteifreunde könnten einen wählen, der sich in den nächsten Wochen oder Monaten als der definitiv Verantwortliche herausstellt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.