Berliner CDU benotet Koalitionsvertrag: Setzen, drei!
Nur etwa ein Zehntel der Berliner CDU-Mitglieder beteiligt sich an einer Befragung zum Koalitionsvertrag im Bund. Das ging gerade noch mal gut.

E rinnert sich noch jemand an Hermann Gröhe (CDU) und sein Wirken als Gesundheitsminister? Oder an Gerd Müller? Nein, nicht den Stürmer, der 1974 Deutschland zur Weltmeisterschaft schoss, sondern den Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit der CSU?
Nach der Bundestagswahl 2013 haben Union und SPD eine Koalition gebildet. Und damals wie heute wollte die Berliner CDU von ihren Mitgliedern hören, wie die das so finden. Die Groko 2013 bekam in einer Befragung die Schulnote „Drei minus“.
Daran erinnerte an Ostern Berlins CDU-Generälin Ottilie Klein in einer Mail an die 12.500 Mitglieder ihrer Partei in der Stadt. Vielleicht wollte sie auch die frohe Botschaft verkünden, dass die Koalition mit der SPD, die nun auf Bundesebene zur Abstimmung steht, besser abgeschnitten hat. Denn die 1.403 Mitglieder, die den Fragebogen beantwortet haben, haben wieder eine Note verteilt. Die fiel – mit einer „Drei“ – besser aus als vor zwölf Jahren, wenn auch nur unwesentlich.
Gut möglich, dass dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) da ein Stein vom Herzen gefallen ist. Denn ganz ohne Risiko war die – freilich unverbindliche – Befragung nicht. Was, wenn sich eine repräsentative Mehrheit beteiligt und mit einer „Fünf“ gestimmt hätte? Wenn auch nicht formal, wäre der Koalitionsvertrag dann in der Berliner CDU politisch durchgefallen.
Rückenwind für Merz
Im Vorfeld der Befragung wurde die Benotung auch als erneute Nicklichkeit von Wegner gegen Parteifreund und Womöglichbaldkanzler Friedrich Merz gewertet. Schon beim Thema Schuldenbremse waren sich beide nicht grün, auch wenn Merz dann eine 180-Grad-Wende hinlegte.
Nun scheint es so, als könnte das „Befriedigend“ dem Kanzler in spe etwas Rückenwind geben. Als ehrliches Ergebnis einer kritischen Abwägung des 144 Seiten starken Koalitionsvertrags. Und damit auch für mehr Ruhe in den Reihen der Union sorgen. Denn jeder zweite Teilnehmer hält die geplante schwarz-rote Koalition demnach für die vernünftigste Option. „Hinsichtlich des Ziels, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben, ist die Berliner CDU geteilt. 48,2 Prozent sehen das Vorhaben eher positiv, 48,1 Prozent eher kritisch“, zitiert der Tagesspiegel aus der Ergebnismail von Ottilie Klein. „Die Abschaffung des Bürgergelds befürworten 84,6 Prozent.“
Trotz des leicht verbesserten Ergebnisses ist die neuerliche Koalition für die Berliner CDU-Basis also keine Groko, sondern eine Noko, eine Notkoalition. Überraschend ist das nicht. Die SPD-Basis dürfte es ähnlich sehen. Deren Votum in einer Mitgliederbefragung steht aber noch aus.
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