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Berliner CDU-Basis muckt aufCDU entdeckt die Demokratie

"Undemokratisch", "nicht transparent", zu wenig Beteiligung - die Basis in Zehlendorf haut dem designierten Berliner CDU-Chef Frank Henkel seine Nominierung um die Ohren.

Frank Henkel hätte eigentlich gucken müssen, ob er sich nicht in der Adresse geirrt hatte. Es war doch der "Ratskeller". Und die Leute vor ihm zwischen Skataushang und Brötchentheke sahen mit ihren Krawatten, Rüschenblusen und Broschen auch so aus wie die Zehlendorfer CDU, die ihn, ihren designierten Landeschef, eingeladen hatte. Aber wieso sprachen die plötzlich so anders? Als ob sich rund 200 Hausbesetzer als CDUler verkleidet hätten und mit Henkel ihr Plenum abhielten. Aber nein, es waren wirklich CDUler, die stundenlang Henkels Nominierung als undemokratisch geißelten, nach Transparenz riefen und um Schwarz-Grün und Jamaika fürchteten.

Zur Erinnerung: Vor zwei Wochen hatte der alte Chef hingeworfen, zehn Tage später empfiehlt der Landesvorstand Henkel. Den aber sollen weder die Mitglieder direkt oder ein Parteitag wählen, sondern ein 100-Leute-Gremium, beschönigend "Kleiner Parteitag" genannt.

Nun ist es so, dass Henkel in anderen Bezirken durchaus freundlicher empfangen wird und an diesem Abend in Zehlendorf mit dem Ärger auch Politik gemacht wird. Der örtliche CDU-Boss Michael Braun, selbst nicht ohne Chefambitionen, hält sich fast ganz zurück, lässt Leute aus der zweiten Reihe reden und kritisieren. Und doch klingt so etwas wie echte Basis durch, von normalen Parteimitgliedern, die die Faxen dicke haben. Stefan Schlede ist durchaus kein einfaches Mitglied, war mal Vizelandeschef und Stadtrat. Aber auch er wurde noch nie zitiert mit Sätzen wie: Die Nominierung erkläre "uns alle hier versammelten CDU-Mitglieder für bekloppt". Oder mit dem Vorwurf, das alles sei "Politbüro-Manier".

Die Atmosphäre ist ohnehin aufgeheizt, weil tags zuvor der CDU-Fraktionschef im Bezirksparlament gefrustet zurückgetreten war. Für ihn ist Henkel das Ende aller schwarz-grünen Träume, die seine Fraktion mit den Grünen vor Ort vorlebt. Schon als der örtliche Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann den Rücktritt eingangs als "weitgehend isolierte Position" abtut, kommt erster Protest. Wellmann gerät selbst unter Druck, scheint froh sein zu müssen, schon wieder als Direktkandidat für den Bundestag nominiert zu sein.

Henkel selbst hat sich nach 22 Jahren CDU genug im Griff, um ruhig zu bleiben. Er gibt sich offen, will mitreden lassen, und Jamaika werde niemand aufgeben, "auch ich nicht". Aber eins macht er klar, bevor er sich nach fast drei Stunden verabschiedet: "Wo CDU draufsteht, da muss auch CDU drin sein."

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