■ Berlinalie: Rein und Raus
Es gibt sie tatsächlich, die überaus liebenswerten Rituale bei der Berlinale. Zum Beispiel diese in allen Kinos aushängenden Schilder „Kein Einlaß nach Beginn der Vorstellung!“ Damit verhält es sich in der Realität natürlich wie mit allem: Wenn ich auch nur 17,5 Sekunden zu spät in den Zoo-Palast hetze und gerade noch sehe, wie die Türen geschlossen werden, muß ich mit dem werktätigen Personal schon über den Zutritt verhandeln. Wenn ich andererseits rechtzeitig einen Platz am Gang erwischt habe, drängen noch mindestens bis zur Filmmitte Leute an mir vorbei und durch's Bild.
Damit kann ich aber noch ganz gut leben. Tatsächlich würde ich mir eine Verschärfung des Zugangsreglements wünschen. Denn gerade im Wettbewerb gibt es immer die gleichen Szenen: Berlinale-Vorspännchen, Filmbeginn – und dann geht auch schon die große Abwanderung los. Fünf oder zehn Minuten später verlassen viele wieder das Kino, einfach so. Das passiert bei wirklich jedem Film, egal wie gut oder schlecht, egal ob französisches Sozialdrama oder US-Rührstück, 9-Uhr-Vorführung oder Nachmittagsprogramm (weshalb es schon lustig ist, wenn der Kollege vom Tagesspiegel die „hohe Abwanderungsrate“ bei dem japanischen Wettbewerbsfilm „Keiho“ zum filmkritischen Element macht). Können die Wanderer das Programm nicht lesen oder gar verstehen und landen deshalb immer im „falschen“ Film? Wollten die sich nur mal kurz aufwärmen? Reicht der Vorspann für die Kritik? Oder wird da ganz besonders listig persönliche „Wichtigkeit“ angetäuscht („Du, ich muß jetzt echt weiter ...“)? Kein schönes Bild, schon gar nicht für die gleichzeitig traurig und forsch guckenden „Suche Karte“-Leute vor den Kinos.
Deshalb – hart durchgreifen, de Hadeln! Her mit den Schildern und den breitschultrigen Türstehertypen, die sonst nur die Prominenz bewachen. „Kein Auslaß nach Beginn der Vorführung!“ – das wär's. Vielleicht noch mit dem freundlich-bestimmten, mehrsprachigen Zusatz „Gehen Sie gefälligst vorher auf die Toilette!“ Thomas Klein
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