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Berlinale Staralbum - BanksyStreet Art Disaster

Die Street-Art-Ikone Banksy präsentiert seinen ersten Film "Exit through the gift shop". Weil er keine Konfrontation mit der britischen Justiz riskieren will, erscheint er per Videobotschaft.

Autonome Blumenwerfer, knutschende Polizisten, zersägte Telefonzellen und gefälschte Pfundnoten: Das macht Banksy. Bild: David Boyle – Lizenz: CC-BY

Für gewöhnliche Filmemacher ist es - auch wenn insbesondere die Amerikaner das einen Tick zu oft betonen - eine Ehre, wenn ihr Film auf einem internationalen Festival wie der Berlinale läuft, deswegen lassen sie es sich in der Regel auch nicht nehmen, ihn persönlich dort vorzustellen - zumal bei ihrem Debüt, zu einem Zeitpunkt ihrer Karriere also, an dem die Festivalwelt noch neu und aufregend ist.

Banksy hat seinen ersten Film "Exit through the gift shop" alleine auf die Reise zur Berlinale geschickt - weil er nicht will, dass es sein letzter wird. Oder vielleicht ist ihm das auch egal. Schließlich hat er ja noch ein zweites Standbein - als König der internationalen Street-Art-Szene. "Barely legal" hieß seine legendäre Ausstellung in Los Angeles 2006, die nur von "Life is beautiful", der Werkschau seines ebenso so umtriebigen wie verhaltensauffälligen Kollegen Mr. Brainwash, getoppt wurde. Wie es dazu kommen konnte, erzählt Banksy in "Exit through the gift shop".

Dabei sitzt der Künstler, der von der Straße kam, mit Kapuzenpulli vermummt im Schummerlicht vor einigen seiner Arbeiten, denn "Barely legal" ist ein Euphemismus. Wer Telefonzellen zersägt und gefälschte Pfundnoten mit dem Konterfei von Lady Di druckt und in Umlauf bringt, kann kaum mit dem Kunstsinn der britischen Justiz rechnen. Ein Auftritt bei der Berlinale wäre eine Sensation gewesen - aber auch eine ziemliche Dummheit.

Und so hat Banksy statt seiner selbst doch nur eine Videobotschaft geschickt. Es wäre auch eine kuriose Situation gewesen: ein Filmemacher, der Journalistenfragen mit verzerrter Stimme durch eine Schattenwand beantwortet. Noch spektakulärer wäre nur eine Liveschalte in Roman Polanskis Schweizer Chalet gewesen.

Schon die Zusage seines Besuchs sollte aber wohl vor allem den Medienhype schüren - ein Phänomen, mit dem Banksy reichlich Erfahrung hat, und zwar ziemlich zwiespältige. Womit wir wieder bei Mr. Brainwash wären. "The world's first street art disaster movie", heißt "Exit through the gift shop" in der Pressemitteilung, die einige PR-Damen vor dem Kino verteilen - ein Desaster, an dem Banksy eine Mitschuld trägt.

Denn er hat Thierry Guetta, seinen früheren Assistenten und Freund überhaupt erst ermuntert, Mr. Brainwash zu werden, eine Ausstellung zu organisieren - eigentlich eher, um ihn loszuwerden. Erreicht hat er damit das genaue Gegenteil.

Mr. Brainwash, der im Gegensatz zu Banksy öffentliche Auftritte nicht scheut, wäre wohl nur zu gern nach Berlin gekommen. Doch der Film, den er ursprünglich über Banksy gedreht hatte, war so wirr, dass der das lieber selbst in die Hand genommen hat. Man darf sich die Hoheit über das eigene Image eben nicht entreißen lassen - auch nicht als Phantom.

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9 Kommentare

 / 
  • N
    niemand

    Banksy hat Kunst geschaffen, die jeden betrifft der gesunde Augen hat und einen Verstand, der von diesen bescheid weiß. Seine Werke nehmen eine eigene Identität an, als hätten sie sich selbst geschaffen und ich glaube das ist etwas worauf ein Künstler am meisten stolz sein kann. So die Realität abzubilden ist einfach der Wahnsinn. Ein Anschlag auf unsere Tagträumerei und unsere kindliche Verstandlosigkeit.

     

    Wer versucht, so etwas Großes klein zu machen, hat ganz einfach Existenzängste.

  • T
    Tim

    Miro:"Wenn ich anonym bleibe, lasse ich von mir ab. Indem ich aber von mir ablasse, kann ich mich selbst finden: sowie das Schweigen die Abwesenheit von Geräuschen ist, und in dem Schweigen das geringste Geräusch enorm ist.

    Dieser Gedanke bringt mich dazu, im Schweigen den verborgenen Lärm zu suchen, im Unbeweglichen die Bewegung, im Unbelebten das Leben, im Endlichen die Unendlichkeit, im Leeren die Formen, und mich - in der Anonymität. Mit der gleichen Logik kann man meine Bilder als humoristisch und fröhlich betrachten, obwohl ich mich als tragischen Menschen sehe."

     

    Oscar Wilde: "A good artist exists only in what they make and are perfectly uninteresting in waht they are"

     

    Tenhagen: "Nixkönner, die die gleiche Zielgruppe von ansprechen, nämlich Leute, die nicht gerade das Pulver erfunden haben, aber anstatt was zu lernen, lieber einem pseudointellektuellen Ästhetizismus anhängen."

     

    Banksy:"There are no exceptions to the rule that everyone thinks they´re an exception to the rules."

     

    Einfach mal gepflegt überlegen anstatt viel zu reden.

  • MT
    Michael Tenhagen

    Der Guardian Artikel ist von Charlie Brooker. Deutsche fühlen sich durch den polemischen Stil sofort provoziert, wie man an den Reaktionen hier sehr schön sehen kann. Das ändert aber nichts daran, dass er recht hat, und auch witzig schreibt.

     

    Klar müssen Fans ihr Idol verteidigen. Das lustiger ist, dass die Art, wie sie das tun, gerade im Fall von Banksy, wiederum sehr tief blicken lässt. Man kann nur zu dem Schluss kommen, das Banksy nur deshalb so erfolgreich ist, weil er es Idioten ermöglicht, sich intellektuell zu fühlen.

     

    Weniger Banksy ist interessant, sondern seine Rezeption. Das ist ähnlich wie bei Charlotte Roche. Diese "Frau" ist eher nicht so interessant, aber die wie gleichgeschaltet (geklont) ihre Fans sind, ist doch bemerkenswert.

     

    Banksy und Charlotte Roche sind zwei Nixkönner, die die gleiche Zielgruppe von ansprechen, nämlich Leute, die nicht gerade das Pulver erfunden haben, aber anstatt was zu lernen, lieber einem pseudointellektuellen Ästhetizismus anhängen.

     

    Dabei ist es egal, wieviele Hundertausende ihrer Leidensgenossen genau das selbe mögen oder für sich reklamieren - jeder einzelne fühlt sich in dieser homogenen Masse doch wie der Inbegriff des Nonkonformismus.

  • K
    kaputnik

    @michael tenhagen

     

    Der Guardian-Artikel ist äußerst platt und offensichtlich für "das kann ich auch Simpel" geschrieben. Aber wie man so schön sagt: können sie eben nicht.

     

    Banksy hat möglicherweise ein paar Ego-Probleme mit seinem Ruhm, vielleicht hat er auch seine besten Zeiten schon gehabt, seine Kunst aber reicht von unterhaltsam bis genial.

     

    Der Guardian-Artikel ist unter Niveau.

  • I
    ioin

    Wow, Alex und Christine sind bestimmt zwei richtig krasse Mitte-Checker!

     

    Natürlich ist Berlin künstlerisch provinziell. Jedenfalls im Vergleich zu echten Metropolen mit mehr als gerade mal knapp 4 Mio., von denen gefühlte 2 Millionen gleichgeschaltete Bart/Schal Hipster sind, die sogar vom vorletzten Trend noch nix gehört haben. Lest mal lieber www.ichwerdeeinberliner.com

  • G
    GÖtzos

    Vielen Dank für diesen bedeutenden Artikel.

    Jetzt weiß ich endlich, dass Kunst immer nach ihrer eindeutig entschlüsselbaren Botschaft zu bewerten ist.

  • C
    christine

    oh ja, Spitzenartikel. Ein Idiot schreibt einen Artikel, in dem er alle als Idioten bezeichnet, die sich von Banksys Arbeit berührt fühlen.

     

    Hm. Ja, sehr schlüssig. Wirklich.

  • A
    Alex

    @Michael Tenhagen

     

    der Artikel auf

     

    www.guardian.co.uk/commentisfree/2006/sep/22/arts.visualarts

     

    ist so unglaublich verkürzend und bricht das ganze Werk auf verschwindend wenige Beispiele herunter...

     

    ...und WER zur Hölle soll Banksy denn durch das künstlerisch ja ungemein provinzielle Berlin "treiben"?

     

    LG

  • MT
    Michael Tenhagen

    Jetzt wird die "Sau" Banksy, nachdem ihn in London keiner mehr Ernst nimmt, also nochmal gewinnbringend durch's Deutsche Vorzeigedorf Berlin getrieben.

     

    Dabei war zu Banksy doch schon alles gesagt:

     

    http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2006/sep/22/arts.visualarts

     

    Dankt mir später.