■ Berlin verkauft die Bewag an ein gemischtes Konsortium: Das Kartellrecht als Gratiszugabe
Not kennt kein Gebot. Nach dieser Maxime wird in Berlin Finanzpolitik gemacht. Um ein Haushaltsloch von rund acht Milliarden Mark wenigstens im Ansatz zu stopfen, will die SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing 50,8 Prozent des Stromversorgers Bewag verkaufen. Das Verfahren soll nun nach 17 Monaten mit dem Zuschlag für ein Konsortium aus dem US-Stromkonzern Southern Company und den deutschen Atomstromern Veba und Viag enden. Den Einspruch des Kartellamtes gegen den Handel will Berlin über die EU aushebeln.
Wer pleite ist, kann schlecht pokern. Beim Versuch, den Tiger zu reiten und zwischen den milliardenschweren Stromgiganten den Preis hochzutreiben, ist die Hauptstadt abgerutscht und kläglich im Rachen der Bestie gelandet: Nach und nach wurden die vorher formulierten Hoffnungen fallengelassen. Finanzpolitisch: Das Geschäft soll nun mit unter drei Milliarden Mark weniger bringen als geplant. Industriepolitisch: Von der erträumten Ansiedlung einer Konzernzentrale ist nicht mehr die Rede. Umweltpolitisch: Berlin verkauft an die Veba und Viag, die als Mitglieder im deutschen Strom- und Atomkartell nicht nur bereits bei der Bewag, sondern auch im deutschen Osten das Sagen haben. Und nun auch noch kartellrechtlich: Das Bundeskartellamt, das eine weitere Beteiligung der Veba an der Bewag untersagen will, soll ausgebootet werden. Diese Entscheidung, so erhofft sich die Finanzsenatorin, soll von Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) nach Brüssel verschoben werden. Dort soll der politische Kuhhandel in der EU-Kommission dafür sorgen, daß der Bewag-Deal durchgeht.
Es ist eine spannende Frage, ob Günter Rexrodt, der selbsternannte Streiter für die Liberalisierung des deutschen Strommarktes, nun bei der Vergrößerung eben der Monopolgebiete mithilft, die er abzuschaffen vorgibt. Doch allein schon der unsittliche Antrag der Finanzsenatorin zur Aushebelung des deutschen Kartellrechts und zur Stärkung der Stromkartelle zeigt die Verzweiflung und die Einfallslosigkeit der Politik angesichts leerer Kassen. Anstatt andere Auswege aus der Finanzkrise als den Ausverkauf an die üblichen Verdächtigen zu suchen, wird die Bewag auf Biegen und Brechen verscherbelt. Das Kartellrecht, das als letzte Hürde gegen die ungebremste Macht der Konzerne zahnlos genug ist, gibt es für die Monopolisten gratis dazu. Bernhard Pötter
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