Berlin ist Madrid: "Empörte" kapern Alex
In Mitte kampieren junge Leute für "echte Demokratie" - nach Madrider Vorbild.
Schwüle Hitze liegt über dem Alexanderplatz, Touristen drängeln sich um den Brunnen vorm Kaufhof, ein Gitarrenspieler bittet um Münzen. Und da steht ein grüner Pavillion. "Echte Demokratie jetzt" fordern angeheftete Pappen. "Empört euch", ein schwarzes Banner. Drum herum sitzen 20, zumeist junge Leute auf dem warmen Pflaster. Der Beginn einer deutschen Demokratiebewegung nach Madrider Vorbild. Vielleicht.
Man habe sich von den laufenden Aufständen überall inspirieren lassen, sagt ein 30-Jähriger, der sich unter seinem Twitter-Namen "Chraema" vorstellt. Arabien, Griechenland, Spanien. Das Camp hier sei aber mehr als nur Solidarität. "In Deutschland herrscht genauso eine Parteiendiktaktur." Politiker würden auf Parteilinien verformt, die Bevölkerung sei an der Politik nur noch zum Schein beteiligt. "Wir haben kaum noch Einfluss, unsere Zukunft selbst zu gestalten." Eifriges Nicken in der Runde. Europa gehöre den "people", nicht den Bankern, wirft Erez, ein Schwarzgekleideter mit langen Haaren, ein. Dass werde man jetzt auf der Straße klarmachen.
Seit Samstag sind sie auf dem Alex. Tag und Nacht. Mal zu zwölft, mal zu fünfzigst. Geschlafen wird auf dem Boden oder in Cafés um die Ecke. "Die Empörten", haben sie ihr Manifest unterschrieben. Wie die Spanier, die seit Mai auf der Madrider Puerta del Sol demonstrieren. Man wolle Teil der weltweiten Bewegung für "echte Demokratie" sein, heißt es im Berliner Manifest. "Nehmt euch die Straße, es ist euer Recht."
Was sie dem heutigen System entgegensetzen wollen, steht im Manifest nicht. "So weit sind wir noch nicht und da lassen wir uns auch nicht unter Druck setzen", sagt Chraema. Es gebe aber jede Menge Ideen, die man in Ruhe diskutieren werde. Nur: Bisher fällt der Aufstand bescheiden aus. Vielen gehe es hierzulande offenbar noch zu gut, murmelt die Runde. Man werde aber beharrlich weitercampen, "open end". "Unser Protest wird zeigen, ob hier schon der richtige Moment gekommen ist."
Das hängt auch von der Polizei ab, die aus einem Einsatzwagen die Protestler im Auge behält. Erst hätten die Polizisten untersagt, Zelte aufzubauen, klagt Marc, ein 27-jähriger Paderborner. Dann habe man nicht mal auf Klappstühlen sitzen dürfen. "Die wollen uns bewusst kleinhalten." Bei der Polizei heißt es, dass das Aufbauen von Zelten nie genehmigt wurde. Ohnehin sei dies auf öffentlichen Plätzen nach dem Berliner Straßengesetz eine Ordnungswidrigkeit.
Wenn schon keine Zelte, dann bunte Parolen. Appellatives ziert das Alex-Pflaster rund um Pavillion, in Kreide. "We are the future!" Passanten werfen einen Blick und schlendern vorbei. Zwei greifen zur Kreide. "Annick und Ella waren hier", kritzeln sie auf den Boden.
Leser*innenkommentare
Kritischer Überblick
Gast
Einige Dinge, die in dem TAZ-Artikel nicht erwähtn werden, wie beispielsweise die Teilnahme von Querfrontlern und die Verstrickungen ins verschwörungsideologische Milieu werden in diesem Artikel beleuchtet:
http://reflexion.blogsport.de/2011/08/27/das-zeltlager-auf-dem-alexanderplatz/
André
Gast
Habt Ihr gar nicht mitbekommen, was gestern auf dem Alexanderplatz passiert ist oder dürft Ihr darüber wegen den bevorstehenden Wahlen nicht berichten?
Die Sache ist eskaliert und trotzdem wird weiter gemacht. Ich würde mir da schon etwas mehr Berichterstattung wünschen!
berton
Gast
schade um die vergebene Chance die Ziele und wie man es besser machen könnte zu beschreiben. Solche Aktionen sollten im Vorfeld besser geplant werden, damit sie nicht als Demo von einigen "demosüchtigen" eingestuft werden.
wolf
Gast
ich habe früher ja auch mal die grünen gewählt. die linken waren für mich nichts da ich flüchtling bin und aus einem land komme in dem alles verstaatlicht wurde. ist euch eigenlich schon mal aufgefallen überall wo diese beiden parteien in deutschland herrschen sind die meisten arbeitslosen und die meisten probleme auf der strasse. in stuttgart geht es auch schon los. wohl dann berliner ihr habt es in der hand!
89er
Gast
Die Zahl der anwesenden "Emörten" spricht für sich. Mehr muss man wohl nicht sagen.
Vielleicht noch eines, weil hier Siggi die friedliche Revolution von 1989 ins Spiel bringt: Ich lese hier Solidaritätsbekundungen mit gleichzeitigen Entschuldigungen für Abwesenheit (Gesundheit, Arbeit, wohne zu weit weg etc.). Wären das damals Gründe gewesen, den Montagsdemos fernzubleiben, stände die Mauer heute noch.
So schlimm scheints also hierzulande noch nicht zu sein.
Schnauze Voll
Gast
Respekt und Hochachtung für diese friedelichen Demonstranten! Ihr habt eine Vorbildfunktion und ich hoffe sehr, dass Ihr ganz schnell, gaaaanz viele Neuzugänge bekommen werdet! Leider wohne ich viel zu weit weg, sonst würde ich Euch sehr gern NOn-Stop Gesellschaft leisten!(organisiere mich aber auch bereits)
Frage? Warum dürfen Teenager Tagelang vor Konzertbeginn ihre Zelte und Schlafsäcke vor den Hallen aufschlagen und dazu noch, unter den Augen der Polizisten, die Schule schwänzen? Hier läuft wirklich was schief in diesem Land! Wir sind das Volk,zurück zur Souverenität, zurück zur ehrlichen Demokratie!
Tom
Gast
Bald sind wieder Wahlen: Also einfach die Partei der Empörten gründen. Wenn sie wirklich so fantastische Vorschläge haben, dürfte es ja ein Kinderspiel sein, auf die Regierungsbank zu kommen. Dort können die Empörten dann alles besser machen als bisher. Nur so funktioniert es in der Demokratie. Mit ein paar Zelten auf dem Alex verändert man nicht viel.
der siggi aus kbrn
Gast
Bin schon 61 järhig und würde sofort mitmachen nur leider läßt meine gesundheit dies nicht zu. Ich find es klasse das erste Änfänge gegen diesen politischen Staat deutschland sich erhoben wird.
Das ist der Anfang und jeder Anfang hat immer zu Veränderungen geführt sogar zu friedlichen Revolutionen (sh ehem.DDR). Endlich mal wieder der Aufschrei """wir sind das Volk""".
Werde euch über Twitter weiterhin zuspruch geben.
Ich wünsche euch alles gute bei dieser guten tat und schön gesundbleiben und lasst euch von den Schlechtmachern dieser Aktion nicht unterkriegen>die sind doch sowieso staatlich oder parteipolitisch natürlich inoffiziell eingesetzt<
Meine Kampfesgrüße an euch
Mögen die Bonzen da oben und das Kapital Angst vorm Volk kriegen
Lasst uns Veranderungen der Gesellschaft zum Wohle der Menschen schaffen
Claudia
Gast
Diese ewigen Vergleiche mit Arabien finde ich geschmacklos. Ein Schlag ins Gesicht der mutigen Menschen, die im Kampf gegen echte und brutale Diktatoren ihr Leben riskieren. Die Wohlstandskinder, die mal ein bisschen Aufstand spielen wollen, weil sie mit der parlamentarischen Demokratie nicht mehr so richtig glücklich sind, riskieren höchstens ein Bußgeld wegen ordnungswidrigen Zeltens.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich begrüße es absolut, dass diese Kids dort öffentlich ihre Unzufriedenheit ausdrücken dürfen. Das ist Teil unserer Demokratie. Ob nun mit Zelt oder ohne, ist Geschmackssache (Ich persönlich glaube, in einem Zelt zu pennen ist keine sehr klare Meinungsäußerung). Allerdings sollten sie sich mit lächerlichen Vergleichen nicht wichtiger tun als sie tatsächlich sind.
Zufriedener
Gast
"Vielen gehe es hierzulande offenbar noch zu gut, murmelt die Runde"
Offensichtlich sind die Beteiligten in der Erkenntnisgewinnung schon etwas weiter als so mancher Kommentator hier. Auf dem riesigen Platz fielen die paar Hanseln garnicht auf. Die Unzfriedenheit mit der Demokratie und das soziale Leiden scheint wohl deutlich geringer zu sein, als uns die Berufsempörten täglich einreden wollen. In den Augen der elitären "Revolutionäre" liegt das aber sicher daran, dass die große Mehrheit einfach dumm ist und von ihrem Elend nichts mitbekommt, solange sie auf RTL2 noch größeres Elend zu sehen bekommen.
Johanna
Gast
Durchhalten!
Heute 19 Uhr Plenum auf dem Alex!
@Peter: so kann man nur reden, wenn man glaubt, daß alles nur noch mit Geld läuft. Dabei: die interessantesten Dinge passieren ohne Geld.
AnonImoa
Gast
Ich wünsche den Menschen in Berlin, die jetzt für uns ALLE soviel opfern und auf der Str. sind, das Sie mehr werden und das die unterstützung wächst. Haltet bis zum WE durch! Alles gute nach Berlin. Es ist kurz vor 12. In Europa, in diesem Land, muss sich was ändern! Die Unterstützung für die Menschen in Berlin ist groß, das weiß ich. Im netz spielt sich einiges ab. Der Taz danke ich für diesen Artikel!
MfG
Emma
Gast
Toto, der hinter dem Mond lebt, voll daneben, weiß anscheinend nicht daß morgen schon die Welt für ihn zusmmenbrechen kann.
Nicholas Ammon
Gast
Super Aktion! Hoffentlich bleiben sie standhaft.
@Peter:
Keine Angst... obwohl diese großartigen Leute auch für Deine Zukunft auf die Straße gehen, ist es für dich gratis.
Toto
Gast
"Wer finanziert eigentlich diesen Blödsinn?"
Das ist jetzt nicht Ihr ernst? Sie leben auch hinter dem Mond was? Seien Sie lieber mal froh, dass es hierzulande Menschen gibt, die sich für die Demokratie einsetzen. Aber schlafen Sie ruhig weiter. Gute Nacht
Nina
Gast
@ Peter Bauer: Keine Sorge, Ihre Steuergelder werden für anderen Blödsinn ausgegeben, die Leute auf dem Alexanderplatz organisieren sich selbst.
Alf Schiefelbein
Gast
Super,
ich werde mir mal einen Tag frei, nach Berlin reisen und dort mindestens eine Nacht übernachten.
Peter Bauer
Gast
Wer finanziert eigentlich diesen Blödsinn?
Knut
Gast
Orthographische Innovationen? Oder wieso "Dass werde man jetzt auf der Straße klarmachen."?
www.dasdass.de ... sollte dem Autor helfen...
Silvia
Gast
YES!
We camp!