Berlin im Museum: Alles ist mit allem verbunden
Das Stadtmuseum mischt sich zunehmend in die Debatten über die Zukunft Berlins ein. Das wird auch die der Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum tragen.
Der Drops mit den Eintrittspreisen ist gelutscht. Wiederholt wird am Dienstagvormittag bei der Jahrespressekonferenz des Stadtmuseums an Museumsdirektor Paul Spies die Frage gestellt, was die 7 Euro Eintritt mit der Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum machen werden, die er konzipiert hat und die man ab September wird sehen können.
Doch Spies reagiert lässig. Ja, das Humboldt Forum wird eintrittsfrei sein und die Berlin-Ausstellung nicht. Ja, die Besucherzahlen schießen stets nach oben, wenn man Museen eintrittsfrei macht. Dann folgt das große Aber: „Mein Ambition wäre es, dass bei freiem Eintritt völlig andere Leute kommen und nicht dieselben, die ihre Geld danach zum Konditor tagen“, sagt er.
Spies weiß, dass 7 Euro nicht die Welt sind im Vergleich mit den Eintrittspreisen für Museen weltweit. Er weiß aber vor allem, dass seine Ausstellung toll genug wird. Vielleicht, so schimmert am Dienstag durch, wird sie sogar die interessanteste im ganzen Humboldt Forum. Spies will wegen des Überraschungseffekts nicht mehr dazu sagen, was zu sehen sein wird. Bislang weiß man von der 2,7 Tonnen schweren Metalltür des Techno-Clubs Tresor, die schon in den Räumen steht. Von den anderen 100 Objekten, die auf den 4.000 Quadratmetern im ersten Stock ausgestellt werden, ist indes wenig bekannt.
Man muss allerdings auch zwischen Paul Spies’ Aussagen lesen, um zu verstehen, was da entsteht. Es geht nicht darum, die Geschichte der Stadt zu erzählen: Das soll ja weiterhin Thema im Hauptgebäude des Stadtmuseums sein, im Märkischen Museum. Vielmehr möchte Spies die globale Verflechtung der Stadt in Geschichte und Gegenwart zeigen. Das Gerüst bilden Themen wie „Berlin Bilder“, „Revolution“, „Freiheit“, „Grenzen“, und „Mode“.
Humboldt ist auch in Berlin
Im Bereich „Mode“ etwa wird der Glanz der Modeszene von heute mit den oft von jüdischen Unternehmern geführten Textilunternehmen Berlins vor der Machtergreifung der Nazis verglichen. Außerdem werden Parallelen zwischen den schlechten Arbeitsbedingungen damals und der Ausbeutung der TextilarbeiterInnen etwa in Indien gezogen. Alles ist mit allem verbunden: Dieses Diktum von Alexander von Humboldt ist auch Leitbild für die Berlin-Ausstellung.
„Wir versuchen, eine wichtige Rolle an einem Ort zu spielen, wo die Weltkulturen präsentiert werden“, sagt Paul Spies. Er lässt damit viel Hoffnung aufkommen, dass er all die Fragen, die für den großen Rest des Humboldt Forums auch aufgrund der Kritik der Stadtgesellschaft erst allmählich aufkommen, immer schon im Hinterkopf hatte.
Auch jenseits der Berlin-Ausstellung erweckt das Stadtmuseum den Eindruck, als sei es auf einem erfrischenden Weg. Für 2019 vermeldete Spies einen Rekord von 276.000 Besuchern. So viele waren es zuletzt vor zwölf Jahren. Eine der wichtigsten Ausstellungen 2020 wird „Chaos & Aufbruch – Berlin 1920/2020“ ab dem 26. April sein. Darin geht es um die Gründung von Groß-Berlin, als die Stadt durch Eingemeindungen über Nacht zur bevölkerungsreichsten Stadt der Welt nach New York und London wurde. Sicher könnte man eine solche Ausstellung trocken gestalten, indem man sich über doppelte Verwaltungsstrukturen austoben würde.
Nicht so das Stadtmuseum. Hier weiß man, dass die Gründung Groß-Berlins bis heute die Stadt prägt, die Vielfalt ihrer Kieze, die die meisten BerlinerInnen so sehr lieben. Außerdem will man eine Diskussion über die historische Schwelle anstoßen, auf der Berlin auch heute wieder steht. Wie konnte es damals gelingen, trotz dermaßen unruhiger Zeiten so schnell so viel zu bauen, den öffentlichen Nahverkehr neu zu regeln, insgesamt für erstaunlich viel sozialen Ausgleich zu sorgen? Das Museum hat eine ganze Etage für die Ideen von Stadtakteuren freigeräumt, und natürlich gibt es auch eine Werkstatt, wo BerlinerInnen über die Zukunft ihrer Stadt nachdenken können.
Angesichts dieses Ehrgeizes und frischen Winds ist es also mehr als wahrscheinlich, dass auch die Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum ab September ihre 7 Euro wert sein wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!