Berlin gedenkt Hiroshima und Nagasaki: Gegen das Vergessen
Vor 72 Jahren zerstörte eine Bombe neuer Dimension die japanische Städte Hiroshima und Nagasaki. Am 6. August erinnert eine Gedenkveranstaltung an das Unvorstellbare.
Am 6. August 1945 explodiert 500 Meter über einer Großstadt eine Bombe: Innerhalb einer Sekunde sterben 80.000 Menschen, von der pulsierenden Innenstadt bleibt fast nichts. „Das Problem an einer Atombombe ist“, sagt Eugen Eichhorn, „dass das Ausmaß der Zerstörung unvorstellbar ist. Es gibt keine Sprache dafür.“ Während die Opfer im Stadtzentrum Hiroshimas geradezu verdampft sind, regnet noch Kilometern entfernt nuklearer Fallout auf die Menschen hernieder. Die Opferzahl wird sich durch die Spätfolgen verdoppeln.
Eichhorn, ein Berliner Mathematikprofessor im Ruhestand, ist gerade in Japan – nicht weit entfernt von der Stadt, in der vor 77 Jahren die US-Armee die erste Atombombe abwarf. „Das war der Beginn eines neuen Zeitalters“, sagt Eichhorn und betont, dass er eigentlich kein Freund von ultimativen Aussagen ist.
Eichhorn engagiert sich seit Jahren gegen die Bombe und ist eines der Gründungsmitglieder des Deutsch-Japanischen Friedensforums, das mit anderen Vereinen am 6. August in den Volkspark Friedrichshain einlädt. An der Weltfriedensglocke wird es um 10 Uhr eine Gedenkveranstaltung für alle Atombombenopfer geben.
„Es ist immer die Frage, wie man jungen Menschen überhaupt Krieg vermitteln soll“, sagt Eichhorn. Bei Atomwaffen sei es noch schwieriger. Der weltweite Protest sei auch deshalb gering, weil die Auswirkungen so abstrakt seien: „Bei normaler Bombardierung sieht man wenigstens die Bomben fallen.“ Die Gedenkveranstaltungen könnten lediglich ein Versuch sein, das alles Menschen näher zu bringen.
Grußworte und Musik
Am 77. Jahrestag der atomaren Zerstörung von Hiroshima, drei Tage vor der zweiten Bombe auf Nagasaki, wird es an der Berliner Friedensglocke neben Grußworten und Musik auch einen Vortrag von Lucas Wirl geben. Der Deutsche ist Teil der Internationalen Juristenvereinigung gegen Atomwaffen – kurz: IALANA – und wird unter anderem von einer neuen UN-Initiative berichten: Anfang Juli haben 122 Staaten in New York einen Atomwaffenverbotsantrag verabschiedet.
Die Gedenkveranstaltung für alle Atombombenopfer findet am Sonntag, dem 6. August 2017, um 10 Uhr im Volkspark Friedrichshain an der Weltfriedensglocke am Großen Teich statt.
Die Veranstalter sind das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, der Deutsche Friedensrat, das Deutsch-Japanische Friedensforum, die Friedensglockengesellschaft Berlin und der Verein Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges. (rko)
Der Entwurf soll im September ratifiziert werden, hat aber wenig Aussichten auf Erfolg. Selbst bei einer formalen Ratifizierung würden sämtliche Nuklearmächte – sowie auch Deutschland – das Abkommen kaum unterzeichnen. Eichhorn urteilt trotzdem positiv über die Initiative: „Die kleinen Länder proben den Aufstand.“ Es gehe vielmehr um die Ächtung der Atomwaffen.
Eichhorn hat die Berliner Veranstaltung zwar mitgestaltet, wird zum Gedenktag aber für das Friedensforum in Hiroshima sein. Die Gedenkveranstaltungen dort seien nochmal etwas anderes: „Die Nähe zum Ort und den Menschen gibt einem das starke Gefühl, nicht alleine zu sein.“
Veranstaltungen in Deutschland könnten natürlich nicht die gleiche lokale Feierlichkeit vorweisen, seien aber ebenso wichtig. „Deutschland und Japan verbindet die Kriegsvergangenheit. Beide führten Angriffskriege mit unglaublicher Grausamkeit“, sagt Eichhorn. Die jetzigen Generationen treffe zwar keine Schuld, trotzdem ginge es um eine indirekte Verantwortung, derartiges für die Zukunft zu verhindern.
Kriegsverbrechen
Gerade in Japan sei durch die Atombombenabwürfe eine Asymmetrie entstanden, meint Eichhorn: „Der nationalistische Flügel hat einen Joker bekommen. In deren Erzählung heißt es nur: Wir sind hier die Opfer.“
Im Kern stimme das natürlich nicht, trotzdem seien die Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki beispiellose Kriegsverbrechen, für die bis heute ein Prozess ausstehe. Zumal die heutige Forschung davon ausgehe, dass nicht alleine die Atombomben die Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg bewirkt hätten. „Zwei Tage nach Hiroshima hat die Sowjetunion Japan den Krieg erklärt“, sagt Eichhorn. Vor allem die Aussicht auf eine zweite Front hätte den Ausschlag gegeben, doch bedingungslos aufzugeben.
Die Bedrohung durch Atomwaffen ist in Japan heutzutage deutlich realer als in Berlin. Durch die Raketentests von Nordkorea sowie den andauernden Manövern von Japan und den USA sei die Stimmung im Land „aufgeheizt“, sagt Eichhorn. Noch ein Grund mehr vielleicht, bei einer Gedenkveranstaltung an die Opfer von Krieg und Zerstörung zu erinnern – auch in Deutschland.
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