Berlin-Marathon: „Sich nicht überschätzen“
Sport ist Mord, lautet die Weisheit der Faulen. Tatsächlich kommt es bei Marathonläufen nicht selten zu Todesfällen. Sportmediziner Markus de Marées weiß warum – und wie man vorbeugen kann.
taz: Herr de Marées, bei Ausdauersportveranstaltungen sterben immer mal wieder Teilnehmer – zuletzt beim hiesigen Halbmarathon im April. Überrascht Sie das?
Markus de Marées: Nein. Die Unterschiede im Trainingsniveau der Teilnehmer sind extrem groß. Ein plötzlicher Herztod – häufigste Todesursache bei diesen Läufen – kann viele verschiedene Ursachen haben.
Zum Beispiel?
Ein angeborener Defekt oder eine Fehlentwicklung des Herzens, die nicht erkannt wurden, eine Arteriosklerose, also eine Verengung im Bereich der Herzkranzgefäße. Auch eine verschleppte Grippe kann dazu führen: Der Sportler trainiert trotz Erkältung, es kommt zur Herzmuskelentzündung und dadurch zur Arhythmie des Herzens.
Also spielt auch die falsche Vorbereitung eine Rolle. Was sind andere mögliche Fehler?
Am häufigsten kommt es vor, dass man zu wenig oder nicht kontinuierlich genug trainiert. Man überschätzt sich im Training und setzt die Belastung zu hoch an oder trainiert, obwohl man im Stress ist.
Markus de Marées
geboren 66, leitet die Abteilung Leistungsdiagnostik am Institut für Trainingswissenschaften der Deutschen Sporthochschule Köln.
Und Ernährungsfehler?
Wenn man zu wenig trinkt und es zur Wasserunterversorgung kommt, kann auch dies auf längere Sicht zu Herzrhythmusstörungen führen. Übermäßiges Rauchen und fettiges Essen genauso – darauf sollte man bei der Vorbereitung verzichten.
Man sagt, ein Marathon übersteige eigentlich die normale Leistungsfähigkeit des Körpers. Welche Körperbereiche oder Organe betrifft das besonders?
Auch hier ist an erster Stelle das Herz-Kreislaufsystem zu nennen. Die Herztode treten oft im letzten Drittel des Rennens auf, wenn die Energiespeicher nicht mehr gefüllt sind. Wenn man sich dann überschätzt, kann das schlimme Folgen haben. Aber die Herztode können auch schon zu Beginn auftreten – das sind die Läufer, die sich auf den ersten Kilometern überschätzen.
Es gibt die Vermutung, dass Doping im Breitensport eine immer größere Rolle spielt. Glauben Sie, das könnte eine weitere Ursache sein?
Auf jeden Fall. Das betrifft Stimulanzien und Steroide, die im Krafttraining eingesetzt werden. Das ist klar belegt. Und wenn man dopt, gerade auch mit Wachstumshormonen, wird das Herz beeinträchtigt.
Was wäre Ihr dringlichster Rat an Menschen, die einen Marathon laufen?
Vom Mediziner: mich regelmäßig untersuchen zu lassen, also einmal im Jahr zum Kardiologen gehen und eine Elektrokardiografie (EKG) und Echokardiografie machen. Vom Sportwissenschaftler: regelmäßiges Training und eine langfristige Vorbereitung. Man sollte nicht erst einen Monat vor dem Marathon anfangen, richtig zu trainieren. Vom Ernährungswissenschaftler: auf Flüssigkeits- und Kohlenhydratzufuhr achten. Aber an die Nahrungsmittel muss sich der Körper auch gewöhnen. Wenn man diese Power-Gels etwa im Rennen zum ersten Mal zu sich nimmt, wird sich der Magen beschweren. Wichtig ist, dass man Spaß haben sollte bei dem, was man tut.
Gibt es Altersgrenzen?
Nein. Unter der Voraussetzung, dass man gesund und gut trainiert ist, würde ich es jedem raten. Fauja Singh aus Indien finisht mit 101 Jahren noch Marathons.
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