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Berlin Buch BoomMetropolenzauber

■ Als ob der Erich noch dran wäre: Ein Buch über den Friedrichstadtpalast

Der Friedrichstadtpalast und sein Programm sind nicht schlecht. Wenn man es angemessen betrachtet. Einigen Menschen aber gilt der Friedrichstadtpalast als Ort des Schreckens. Er wird als das steingewordene Symbol dümmlichen Tingeltangels angesehen, als Unterhaltungstempel der Kleinbürger. Das Gebäude, sein Zuckerbäckerzierat und seine Revuen seien, so stand zu lesen, in ästhetischer Hinsicht ein Äquivalent zu Honeckers Vorliebe für Bud-Spencer-Filme. Daß ein solcher Bau und sein Unterhaltungstheater nach dem Mauerfall auch dem Provinzfürsten Diepgen wie ein maßgeschneiderter Anzug paßt, scheint dieses Urteil nur zu bekräftigen.

Doch geht es den Kritikern bei ihrer Kritik am Friedrichstadtpalast nicht um die Vermittlung altbackener Geschlechterrollen oder um die brutale Bodenständigkeit, die hier Revue für Revue transportiert wird – ist beides schließlich nicht nur der Grund für die Akzeptanz im Publikum, sondern der einzige Inhalt der Show. Nein, bei dem Großteil der Kritik handelt es sich lediglich um die Geschmäcklerei der an großbürgerliche Kulturdarbietung gewöhnten Betrachter.

Genau hier wäre also anzusetzen, wenn man dieses Theater gegen Häme verteidigen wollte. Denn diese Theaterform hat in Berlin schließlich Höhepunkte wie die Auftritte Claire Waldoffs oder „Die Dreigroschenoper“ gehabt.

Doch die intellektualistischen Anfeindungen zu entkräften ist nicht das Anliegen des Buches „Friedrichstadtpalast Berlin“, das soeben zum 15. Jahrestag der neuen Spielstätte erschienen ist. Im Gegenteil, es bestärkt um so mehr die Kritiker, indem es Klischees bedient. Zwar werden altgediente Kämpfer des bundesdeutschen Feuilletons wie Rolf Schneider oder Friedrich Diekmann auf den Palast losgelassen. Jedoch wiederholen auch sie in ihren Beiträgen über die „Girlstruppen“ hinlänglich Bekanntes.

Die zahlreichen Bilder von Jim Rakete bleiben seltsam dunkel und starr und wirken teilnahmslos. Umrahmt wird das fade Lobhudeln von Anekdoten aus der Tanzwelt, wie dem großen Leiden der Solotänzerin an der Unterhaltung, von reichlich Werbeseiten.

Der immerhin über 70 Jahre währenden Entwicklung, der der Friedrichstadtpalast seine heutige Form verdankt, wird im Buch kaum Platz eingeräumt. Auch dem Standort des alten Gebäudes (einer bis jetzt unbebauten Brache neben dem Berliner Ensemble) und der Bedeutung der Bühne in der DDR wird viel zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Herausgeber benutzen die Geschichte und die Geschichten um das Gebäude offensichtlich nur dazu, die heutige Form des Theaters möglichst appetitlich zu präsentieren.

Bei dem Versuch, dem größten der europäischen Revuetheater eine immense kulturelle Bedeutung zukommen zu lassen, entlarvt sich allerdings der rückständige Ansatz der Macher. Das Buch beginnt mit einer Fotostrecke über die prominente Umgebung des Theaters als Indiz für eine Metropole, die im Friedrichstadtpalastgebäude gipfelt. Als regiere Honecker noch immer, wird die Umgebung eines Ortes für seine Bedeutung genommen. Und auch die Texte driften wie seinerzeit das Neue Deutschland ins Prahlerische: „Was wäre Hollywood, was wäre DaimlerChrysler Aerospace ohne den Berliner Tingeltangel?“ fragt der Herausgeber. Die Antwort darauf würde man wirklich gern erhalten. Jörg Sundermeier ‚/B‘„Friedrichstadtpalast Berlin“. Hrsg. von Rolf Hosfeld, Jim Rakte, Rainer Wörtmann. Helmut Metz-Verlag, 1999, 184 Seiten, 29,90 DM

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