: Berlin - eine tropische Stadt
■ Das schwüle Wetter am Wochenende war möglicherweise eine Folge des weltweiten Treibhauseffekts, verursacht durch Luftverschmutzung / Diese Hypothese äußert ein renommierter Berliner Meteorologe / Tropische Luft gelangt nun bis nach Berlin
Krokodile im Wannsee, Palmen rund um die Gedächtniskirche sieht so Berlins Zukunft aus, weil der „Treibhauseffekt“ die Erde erwärmt? Einen verhängnisvollen Vorboten der weltweiten Klimaveränderungen, die mittlerweile fast alle Klimaforscher diagnostizieren, haben die Berliner vielleicht schon am Wochenende erlebt: die überaus schwüle, feuchte Luft, die der Stadt da zu schaffen machte.
Diese „begründete Vermutung“ äußerte jetzt der renommierte Berliner Professor Manfred Geb vom Meteorologischen Institut der FU gegenüber der taz. Mit einem Taupunkt von bis zu 20 Grad war die Luft am Sonntag so feucht wie in den Tropen. Und da kam sie auch her.
Seit die Meteorologen beobachten, wie sich die Luftmassen bewegen, also seit den 60er Jahren, gelangten tropische Lüfte sonst nie nach Berlin. Nur einmal im Juni letzten Jahres beobachteten die Wetterforscher tropische Luftmassen über unserer Gegend, allerdings in 1.500 Metern Höhe.
„Sonst ist so etwas unmöglich“, meint Geb. Der vermutete Grund für die neue Erscheinung: Die Meere in der Tropenregion werden wärmer, die tropische Meeresregion wird größer. In diesem Jahr reicht sie bereits bis in Regionen südwestlich der Azoren. Wenn das Azoren-Hoch nun etwas nach Südwesten verrutscht, kann die Tropenluft bis nach Berlin gelangen.
Eigentlich können die Klimatologen nicht von kurzfristigen Wetterlagen auf weltweite Tendenzen schließen. Deshalb ist es allerdings auch kein Argument gegen den Treibhauseffekt, daß in den letzten Jahren der Berliner Sommer relativ kühl war.
Entscheidend sind vielmehr großräumige Veränderungen wie die Ausbreitung tropischer Luftmassen. In den letzten zehn Jahren stieg die Meeres-Temperatur überall in der Tropenregion um bis zu ein Grad. „Statistisch ist das hochsignifikant“, also kein Zufall, versichert der Professor. „Wahrscheinlich liegt das an Luftbeimengungen“, sagt er.
In der warmen Erdzone wirken sich neben Kohlenmonoxid und Stickoxiden (N2O) vor allem Methan und die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) aus. Die beiden Gase sind zusammen mit Kohlendioxid die Hauptverursacher des Treibhauseffektes: Sie reflektieren Wärme, die die Erde abstrahlt, zurück auf unseren Planeten.
CO2 entsteht fast überall, wo etwas brennt. Seit der Industrialisierung steigt seine Konzentration in der Atmosphäre. Methan ist in erster Linie ein Produkt der Massenviehhaltung und des Reisanbaus, die FCKWs werden als Treibgase in Spraydosen verwendet, als Kühl- und Lösungsmittel. Seit auf dem sogenannten Toronto-Kongreß im Juni dieses Jahres neueste Forschungsergebnisse vorgestellt wurden, ist sich die Fachwelt einig, daß diese Gase eine Erwärmung der Erde verursachen.
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen rechnet Geb vor allem mit einer Erwärmung der Tropenregion, weniger der Polarzonen. Doch auch der Münsteraner Klimatologe Wilfried Bach, der eher eine Erwärmung der Pole erwartet, hält Gebs Deutung für seriös. Bach: „Extreme, Anomalien und Katastrophen werden in Zukunft zur normalen Realität.“
hmt (Welchen Beitrag der Berliner Dreck zum Treibhauseffekt
leistet, siehe Kasten nächste Seite.)
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