Berichterstattung zur Organentnahme: taz siegt beim Bundesgerichtshof
Die Karlsruher Richter geben Redakteurin Heike Haarhoff Recht. Ihr Text über eine unprofessionelle Organentnahme sei nicht zu beanstanden.
Die taz hatte 2012 intensiv über die intransparente und wenig kontrollierte Vermittlung von Spenderorganen durch die DSO berichtet. Vorgeworfen wurde der DSO unter anderem die mangelhafte Aufklärung eines Vorfalls am Universitätsklinikum Düsseldorf. Dort waren einem jungen Mann 2005 mehrere Organe entnommen worden, obwohl bei der Prüfung des Hirntods eindeutig Verfahrensfehler gemacht worden waren.
Um sicherzustellen, dass ein Organspender wirklich tot ist, müssen eigentlich zwei Ärzte unabhängig voneinander zunächst den Hirntod feststellen (Erstuntersuchung) und später prüfen, ob die Hirnfunktion wirklich „unwiederbringlich“ verloren ist (Verlaufsuntersuchung). Über diese vier Untersuchungen müssen insgesamt vier Protokolle angefertigt werden. Im Düsseldorfer Fall fehlte aber mindestens einer dieser Belege und trotzdem wurden dem jungen Mann die Organe entnommen. Die taz machte dafür Günter Kirste verantwortlich, den damaligen medizinischen Leiter der DSO.
Die DSO revanchierte sich mit einer Unterlassungsklage. Da nur eines von vier Protokollen fehlte, solle die taz nicht mehr behaupten „es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll“ und „der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei nur ein einziges Mal diagnostiziert worden“. Unterlassen solle die taz auch die Aussage „der Verdacht lag nahe, dass diese zweite Diagnostik schlicht vergessen worden war“. Schließlich seien sowohl Erst- als auch Verlaufsuntersuchung durchgeführt worden, wenn auch nicht beide zwei Mal.
Die Redaktion präzisierte ihre Vorwürfe daraufhin in einem „ergänzenden Bericht“ auf taz.de: „Das zweite Protokoll der zweiten Untersuchung fehlte seinerzeit, damit lag zum Organentnahmezeitpunkt nicht der Nachweis vor, dass von einem zweiten Arzt der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen nachgewiesen war.“ Wie sich später ergab, hat vermutlich bei der zweiten Untersuchung nur ein Arzt den Toten untersucht. Dann wären nur drei von vier Überprüfungen durchgeführt worden.
Eine „wahrheitsgemäße“ Aussage
Dennoch verlor die taz in den ersten beiden Instanzen beim Landgericht und beim Oberlandesgericht, jeweils in Frankfurt/Main. Die Berichterstattung der taz habe den falschen Eindruck erweckt, dass nur die Erstuntersuchung, aber keine Verlaufsuntersuchung stattgefunden habe. Daneben sei es für den Rechtstreit unerheblich, ob nur ein Arzt (statt zwei Ärzten) den Toten abschließend untersucht hat, da dies im angegriffenen taz-Bericht noch nicht sicher behauptet wurde.
Der BGH gab nun aber der taz Recht. Der „unbefangene Durchschnittsleser“ verstehe den Artikel so, dass „die schriftlich dokumentierte Feststellung des Hirntodes des Betroffenen durch einen zweiten Mediziner“ fehle. Und das sei eine „wahrheitsgemäße“ Aussage.
Auch durfte die taz den Verdacht äußern, die abschließende zweite Diagnose sei schlicht vergessen worden. Die Position der DSO – die Diagnose eines zweiten Mediziners habe stattgefunden, das Protokoll sei nur nicht mehr auffindbar – sei ausreichend dargestellt worden. Zudem sei das Thema von „erheblichem öffentlichen Interesse“ gewesen und die taz habe dabei die „Kontrollfunktion“ der Presse ausgeübt.
Auch in einem dritten Punkt lehnte der BGH die Klage ab. Es sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt, dass die taz die fristlose Kündigung einer engagierten Mitarbeiterin in Zusammenhang mit dem Skandal brachte. (Az.: VI ZR 505/14)
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