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Berichterstattung zur Organentnahmetaz siegt beim Bundesgerichtshof

Die Karlsruher Richter geben Redakteurin Heike Haarhoff Recht. Ihr Text über eine unprofessionelle Organentnahme sei nicht zu beanstanden.

Schon die Berichterstattung über Organentnahmen kann zu einer heiklen juristischen Angelegenheit werden Foto: imago/Westend 61

KARLSRUHE taz | Im Rechtsstreit zwischen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und der taz hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt der taz in vollem Umfang Recht gegeben. Die Klage der DSO gegen einen Bericht von taz-Gesundheitsredakteurin Heike Haarhoff wurde in letzter Instanz abgewiesen.

Die taz hatte 2012 intensiv über die intransparente und wenig kontrollierte Vermittlung von Spenderorganen durch die DSO berichtet. Vorgeworfen wurde der DSO unter anderem die mangelhafte Aufklärung eines Vorfalls am Universitätsklinikum Düsseldorf. Dort waren einem jungen Mann 2005 mehrere Organe entnommen worden, obwohl bei der Prüfung des Hirntods eindeutig Verfahrensfehler gemacht worden waren.

Um sicherzustellen, dass ein Organspender wirklich tot ist, müssen eigentlich zwei Ärzte unabhängig voneinander zunächst den Hirntod feststellen (Erstuntersuchung) und später prüfen, ob die Hirnfunktion wirklich „unwiederbringlich“ verloren ist (Verlaufsuntersuchung). Über diese vier Untersuchungen müssen insgesamt vier Protokolle angefertigt werden. Im Düsseldorfer Fall fehlte aber mindestens einer dieser Belege und trotzdem wurden dem jungen Mann die Organe entnommen. Die taz machte dafür Günter Kirste verantwortlich, den damaligen medizinischen Leiter der DSO.

Die DSO revanchierte sich mit einer Unterlassungsklage. Da nur eines von vier Protokollen fehlte, solle die taz nicht mehr behaupten „es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll“ und „der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen sei nur ein einziges Mal diagnostiziert worden“. Unterlassen solle die taz auch die Aussage „der Verdacht lag nahe, dass diese zweite Diagnostik schlicht vergessen worden war“. Schließlich seien sowohl Erst- als auch Verlaufsuntersuchung durchgeführt worden, wenn auch nicht beide zwei Mal.

Die Redaktion präzisierte ihre Vorwürfe daraufhin in einem „ergänzenden Bericht“ auf taz.de: „Das zweite Protokoll der zweiten Untersuchung fehlte seinerzeit, damit lag zum Organentnahmezeitpunkt nicht der Nachweis vor, dass von einem zweiten Arzt der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen nachgewiesen war.“ Wie sich später ergab, hat vermutlich bei der zweiten Untersuchung nur ein Arzt den Toten untersucht. Dann wären nur drei von vier Überprüfungen durchgeführt worden.

Eine „wahrheitsgemäße“ Aussage

Dennoch verlor die taz in den ersten beiden Instanzen beim Landgericht und beim Oberlandesgericht, jeweils in Frankfurt/Main. Die Berichterstattung der taz habe den falschen Eindruck erweckt, dass nur die Erstuntersuchung, aber keine Verlaufsuntersuchung stattgefunden habe. Daneben sei es für den Rechtstreit unerheblich, ob nur ein Arzt (statt zwei Ärzten) den Toten abschließend untersucht hat, da dies im angegriffenen taz-Bericht noch nicht sicher behauptet wurde.

Der BGH gab nun aber der taz Recht. Der „unbefangene Durchschnittsleser“ verstehe den Artikel so, dass „die schriftlich dokumentierte Feststellung des Hirntodes des Betroffenen durch einen zweiten Mediziner“ fehle. Und das sei eine „wahrheitsgemäße“ Aussage.

Auch durfte die taz den Verdacht äußern, die abschließende zweite Diagnose sei schlicht vergessen worden. Die Position der DSO – die Diagnose eines zweiten Mediziners habe stattgefunden, das Protokoll sei nur nicht mehr auffindbar – sei ausreichend dargestellt worden. Zudem sei das Thema von „erheblichem öffentlichen Interesse“ gewesen und die taz habe dabei die „Kontrollfunktion“ der Presse ausgeübt.

Auch in einem dritten Punkt lehnte der BGH die Klage ab. Es sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt, dass die taz die fristlose Kündigung einer engagierten Mitarbeiterin in Zusammenhang mit dem Skandal brachte. (Az.: VI ZR 505/14)

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5 Kommentare

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  • Somit können und sollen alle Menschen in Deutschland fehlerfreie Krankenbehandlung fordern und nicht nur durch eigene Geldbeiträge fördern!

     

    Und übrigens gab es schon etliche Pressemitteilungen, wo Ärzte selbst ausgesagt haben, dass es viel zu viele Operationen durchgeführt werden, wo eigentlich gar keine Operation notwendig ist. Herzkatheter, neue Knie, künstliche Hüften. Deutschlands Ärzte greifen sehr schnell zum Skalpell. Schuld sind falsche finanzielle Anreize. Die Beitragszahler kostet das Milliarden.

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unnoetige-eingriffe-in-der-op-fabrik-11852366.html

     

    Kürzlich wurde ja bekannt gegeben, dass die Krankenversicherungsbeiträge demnächst wieder ansteigen werden.

     

    Journalisten sollten stets hinterfragen und recherchieren, ob eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge gerechtfertigt ist oder nicht. Letztens wurde noch festgestellt, dass die Großhandelspreise in der Gesundheitsindustrie viel zu hoch seien und dass die oft frei verhandelbar sind. Das ändert aber nichts daran, dass diese alle Bürger in Deutschland damit belasten; natürlich solange bis es durch politische Maßnahmen eine Verbesserung gibt.

     

    Wir sind ein Land der Sozialen Marktwirtschaft und davon abgesehen ist die Gewinnorientierung in der Gesundheitsbranche fehl am Platz.

  • Bei Operationen geht es um das Leben von Menschen. Dann sollte man schon in Deutschland erwarten, dass alle Ärzte fehlerfrei arbeiten.

     

    In unserem Land verdienen Ärzte über alle Berufe hinweg wohl am meisten. Aber das muss jeder Patient wissen und jeder Arzt immer wieder daran denken, warum das so ist. Die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge hängt auch von den Gehältern der Ärzte ab, und auch umgekehrt. Warum?

     

    Je mehr ein Arzt Operationen in einem Jahr durchführt, umso mehr verdient er. Einige Gelder bekommen Krankenhäuser von Krankenkassen. Krankenkassen müssen dann auch davon abhängig, wie viele Oparationen, Behandlungen etc. im Jahr stattfinden, die Krankenversicherungsbeiträge erhöhen. Bis zum Jahr 2019 könnten die Zusatzbeiträge auf 1,4 bis 1,8 Prozent des Bruttolohns steigen. Das teilte Frau Doris Pfeiffer, Chefin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ein Grund für den Anstieg seien die steigenden Ausgaben der Krankenkassen, sagte Frau Pfeiffer.

    http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-06/krankenkassen-beitraege-koennten-steigen

  • Mein Glückwunsch! Und mein Dank. Ein sehr wichtiges Urteil.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Herzlichen Glückwunsch zu diesem Sieg!

    Ich bin immer froh wenn Zensurversuche erfolgreich abgewehrt werden.

  • Glückwunsch! Ein wichtiges Urteil