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Berichte zu Sexualstrafrecht in SchwedenFaktencheck ist sexy

Schwedens Einwilligungsgesetz sprengt die Vorstellungen der deutschen Presse darüber, wie konsensueller Sex aussehen kann.

So unromantisch stellen sich viele Leute einvernehmlichen Sex vor: mit Unterschrift und Bestätigung durch einen amtlichen Ausweis Foto: dpa

Stell dir vor, du bist ein öffentlich-rechtlicher Nachrichtensender und verbreitest eine so unterirdische Fake-News, dass die Satire-Seite „Der Postillon“ dich berichtigen muss. In genau dieser Situation befindet sich die Social-Media-Redaktion der Heute-Nachrichten des ZDF, deren Berichterstattung über eine Gesetzesänderung in Schweden inhaltlich straight outta Bild.de entstammt. Doch wenn es um Geflüchtete oder Sex geht, bricht die Presse regelmäßig sämtliche Konventionen.

Was genau da los ist? Die schwedische Regierung hat einen Entwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts verfasst: Das sogenannte Einwilligungsgesetz funktioniert nicht mehr nach dem Prinzip „Nein heißt nein“, sondern „nur ja heißt ja“. Ist der Sex nicht einvernehmlich, gilt er als Vergewaltigung und somit als Straftat. Das klingt erst mal nach einer radikalen Umwälzung, praktisch ändert sich jedoch nicht viel: Die Unschuldsvermutung besteht weiterhin, somit steht, wie bisher auch, eine Aussage gegen die andere.

Der Gesetzesentwurf ist also nicht besonders revolutionär, denn dafür müsste Betroffenen stärker vertraut werden. Diese müssen sich schlimmstenfalls sogar noch weiter mit expliziten Schilderungen der Tat erklären. Entgegen empörter Behauptungen besteht ebenfalls keine Pflicht, vor dem Sex und für jede neue Stellung einen schriftlichen Vertrag aufzusetzen.

So romantisch wie Steinigung

Die Bedeutung ist eher symbolisch: Das neue Gesetz könnte vermeintlichen Grauzonen entgegensteuern – Situationen, in denen eine der involvierten Personen weder ausdrücklich kommuniziert, dass sie keinen Sex möchte, noch, dass sie Lust hätte. Schließlich fließt so ein „nein“ in vielen Fällen nicht einfach so über die Lippen, sondern bleibt es aus Angst vor Konsequenzen in Abhängigkeitsverhältnissen aus.

Mit der Verbreitung falscher Tatsachen ist das ZDF nicht alleine. Auch Welt.de fährt lieber sämtliche Panik-Register – en passant noch ein paar rassistische – und bricht in Empörung aus, anstatt einen nüchternen Faktencheck durchzuziehen. „Schweden ist jetzt das unromantischste Land der Welt, gleich hinter Saudi-Arabien und dem Iran“, heißt es dort.

Steht Schweden jetzt auf Platz 1 oder 3 der unromantischsten Länder? Und was ist das für 1 Romantik vong Verständnis her? Ist Romantik jetzt eine Frage der Gesetzeslage? Seit wann ist sexualisierte Gewalt romantisch?

Sex lernen statt meckern

Auf Schlüsselbegriffe wie „Hexenjagd“ und „Korrektheit auf die Spitze getrieben“ verzichtet die Welt-Redaktion nicht. Auf eine Richtigstellung der Fake News schon. Interessant sind auch ihre Vorstellungen von Konsens: Müssen wir jetzt Verträge aufsetzen, wenn wir Sex haben? Für jede Stellung neue? Müssen wir die Erlaubnis per Video aufnehmen, um sie notfalls vor Gericht vorzuzeigen? Oder eine dieser Konsens-Apps benutzen? Wie bitte soll denn ein ausdrückliches „ja“ aussehen? Ist das überhaupt noch Sex, wenn er nicht sexy ist?!

Wer auf „nur ja heißt ja“ so reagiert, macht nicht den Anschein, ein „nein“ verkraften zu können. Genau diese Menschen sind es, für die andere Körper ganz selbstverständlich verfügbare All-You-Can-Eat-Buffets sind. Warum es diese Verschärftungen braucht, belegen sie mit ihrem peinlichen Verhalten selbst.

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14 Kommentare

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  • Das Gesetz ist gegen die so genante Religionsfreiheit, das ist gut.

    Denn ich habe im Koran gelesen:

    2 / 223.

    Eure Frauen sind euch ein Acker; so naht eurem Acker, wann und wie ihr wollt,..

    Ob die Schwedischen Abgeordneten das bedachten?

    Die Schweden sind alte Schweden. Sie haben schon Luther geholfen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Die Unschuldsvermutung besteht weiterhin, somit steht, wie bisher auch, eine Aussage gegen die andere.

     

    Der Gesetzesentwurf ist also nicht besonders revolutionär, denn dafür müsste Betroffenen stärker vertraut werden."

     

    Solange Autorinnen die Unschuldsvermutung infrage stellen und das Prinzip des Rechtes somit außer Kraft setzen wollen, wird sich die reaktionäre Panikmache kaum beruhigen.

     

    "Nur ja heißt ja"?

    Gebt es denn einen Konsens darüber, wie Konsens aussieht?

    Ich persönlich würde auch ein "Ich will" als "Ja" interpretieren, genauso wie "Gerne" oder auch entsprechende nonverbale Kommunikationsakte.

     

    Das Prinzip

    "Nur ja heißt ja" liegt dem Gesetz auch nicht zugrunde. Da braucht man nur den von der Autorin selbst verlinkten Tweet des Postillion schauen:

     

    ' Das ist Bullshit! So ist es wirklich:

    "Under the proposed law, if a person has not agreed in words or clearly demonstrated they want to engage in sexual activity, then forcing or coercing them into a sexual act will be illegal."

    Siehe: https://www.independent.co.uk/news/world/europe/sweden-rape-law-consent-new-pm-backing-stefan-lofven-a8117471.html?amp&__twitter_impression=true '

     

    Ich bin auch der Meinung, dass Frauen, die sexuelle Delikte anzeigen, viel zu oft schlecht behandelt werden. Da muss sich polizeiintern und in der Richter*innenschaft etwas ändern. Dasbetrifft aber viel mehr Dienstvorschriften bzw. die Auslegungen der bestehenden Rechtsvorschriften. So wird z.B. Schlaf tatsächlich nicht als schutzlose Situation gemäß des neuen Sexualstrafrechtes ausgelegt, was völlig lächerlich ist.

    Es geht der Feminismus in den Populismus über, wenn immer härtere und neue Gesetzesregelungen gefordert werden, obwohl die bestehenden Rechtsvorschriften gar nicht ausgenutzt werden.

  • Erinnert sich noch jemand an den Film 'Cherry 2000' aus dem Jahr 1987?

    https://youtu.be/urS8GmwmeWQ

    • @Adele Walter:

      Ach ja, ich vergass. Der Film spielt im Jahr 2017!

  • Das ist ein seltsamer Artikel. Vorab sei festgestellt, daß sogar das politisch-korrekte-allzeit-feministische "Bento" die Rechtslage wie die "Welt" dargelegt hat. Darüber hinaus ist die Darstellung der "Taz" äußerst zweifelhaft:

    Behauptet wird, daß sich nicht viel ändere, das ist eindeutig falsch. Daß die Strafverfolgung de facto immer noch ein Problem bleibt, mag zutreffen, aber die Rechtslage würde massiv reformiert, denn jeder Mann, der nicht vorher fragt, wäre vor dem Gesetz plötzlich ein Vergewaltiger. Offenbar ist es für die Taz kein Problem, daß die Unschuldsvermutung hierdurch zum Schutzmechanismus für vermeintliche "Vergewaltiger" gerät, die hierdurch vor der Verrücktheit der Gesetze geschützt werden. Eigentlich dient die Unschuldvermutung jedoch dem Schutz Unschuldiger. Ganz zweifellos sind hier Rechtsgrundsätze ins Rutschen gekommen.

    Des weiteren wurde nicht behauptet, daß es eine "Pflicht" für schriftliche Erklärungen gäbe, sondern nur, daß dies eine sehr gute Idee sei, um sich vor einem Gesetz zu schützen, durch das man jederzeit urplötzlich (und in meinen Augen unbegründet) als "Vergewaltiger" gelten kann. Es ist auch in Deutschland keineswegs so, daß es in Situationen, in denen sich die Aussagen des mutmaßlichen Opfers und des mutmaßlichen Täters widersprechen, nicht zu einer Verurteilung kommen kann, sogar wenn es keine forensischen Nachweise für die Tat gibt. Der Justizirrtum im Fall Horst Arnold belegt dies.

    Unfreiwillig selbstenthüllend sind einige weitere Bemerkungen des Artikels:

     

    "Steht Schweden jetzt auf Platz 1 oder 3 der unromantischsten Länder? Und was ist das für 1 Romantik von Verständnis her? Ist Romantik jetzt eine Frage der Gesetzeslage? Seit wann ist sexualisierte Gewalt romantisch?"

     

    Ist Sex ohne vorherige explizite Einverständniserklärung also doch "sexualisierte Gewalt"? Ich dachte, durch das Gesetz würde nichts verändert.

    • Bruno , Moderator
      @Langhaariger:

      Auch das treffsichere Bento kann mal Fehler machen:

      //meedia.de/2017/12/20/schweden-sex-der-postillon-und-die-qualitaetsmedien-der-fast-aussichtslose-kampf-der-satire-seite-um-eine-richtige-berichterstattung/

      • @Bruno:

        Ich halte nicht viel von Bento. Ein überflüssiges und dümmliches Medium.

  • Das neue Gesetz der Schweden veranschaulicht einen Perspektivwechsel. Vermutlich ist so die große Aufregung in Deutschland zu erklären. Traditionell wird Mädchen und Frauen die Kontrolle des männlichen Sexualverhaltens auferlegt. Werden sexuelle Übergriffe auf sie verübt, gilt das als Versagen des Opfers. Daraus leitet sich die Kultur der Opferbeschämung, englisch „victim blaming“ ab, die auch auf missbrauchte Kinder und männliche Jugendliche angewandt wird. Diese Sicht impliziert die Einordnung der männlichen Sexualität als grundsätzlich übergriffig, die von Mädchen und Frauen als defensiv. Diese überkommene, tief in unserer Gesellschaft verankerte Vorstellung entfaltete weitreichende Wirkung auf die Sexualkultur. Sie führt zu Belastungen, weil Sexualität trotz aller Romantisierung immer auch negativ konnotiert wird, aber sie lässt heterosexuelle Aktivitäten auch zu einer einfachen Angelegenheit werden. Er muss nicht viel mehr können als ein männliches Haustier, sie lediglich still halten, bis er sein sexuelles Geschäft erledigt hat. Es wird dann erwartet, dass der Mann sich im Anschluss gegenüber seiner „Partnerin“ dankbar zeigt, im Gegenzug die Frau devot bleibt. Aus triftigem Grund finden wir dieses Muster trotz aller sexuellen Aufgeklärtheit nicht nur in der üblichen Paarbeziehung und Ehe, sondern auch in der Prostitution und im weiter boomenden Pornografiebereich.

  • Am spannendsten in dem Beitrag finde ich zwei Sätze:

    "Der Gesetzesentwurf ist also nicht besonders revolutionär, denn dafür müsste Betroffenen stärker vertraut werden. Diese müssen sich schlimmstenfalls sogar noch weiter mit expliziten Schilderungen der Tat erklären."

    Was wird mit stärker vertrauen hier gemeint - und wie soll das mit elementaren Grundpositionen eines Rechtsstaates, im Zweifel für den Angeklagten, vereinbar sein?

  • da hilft nur die Digitalisierung der weiblichen Sexualität.

    #HerMitDenRoboterinnen

  • Was bitte soll eine "symbolische Strafrechtsverschärfung" sein? Das Strafrecht ist ein scharfes Werkzeug, das schneidet Mit Messern erzieht man nicht, man verletzt.

  • Typisch, dass die taz mal wieder genau den Fehler macht, den sie anderen vorwirft. Nämlich die Debatte nicht mit Sachargumenten, sondern unreflektierten Meinungen und Übertreibungen weiter reiten.

     

    "Ist Romantik jetzt eine Frage der Gesetzeslage? Seit wann ist sexualisierte Gewalt romantisch?"

     

    Romantik hängt dann von der Gesetzeslage ab, wenn Gesetze Dinge verbieten, die romantisch sind. Zum Beispiel gilt eine wortlose Verständigung für viele Menschen als romantisch. Oder wenn man den Körper sprechen lässt anstatt das Gehirn. Nur, dass dann halt niemand explizit "ja" sagt. Jetzt kann man einwenden, dass auch Körpersprache auch Sprache ist und vor Gericht gilt, aber das dürfte noch schwerer zu beweisen sein. Zudem dürfte es dazu führen, dass man vom (vermeintlichen) Opfer noch genauere Schilderungen benötigt.

     

    "Die Bedeutung ist eher symbolisch" - in einem anderen Kontext würde man das in der taz als blanken Populismus brandmarken. Ob die neue Regelung die rechtliche Lage klarer oder komplizierter macht wird sich noch zeigen.

    • @Yoven:

      Sie haben vollkommen recht. Mit der Autorin müsste man aber noch ganz anders Tacheles reden.

      Ihre allerneueste Kolumne in der taz ist absolut unterste Talsohle.