Bericht über Mängel in der Verwaltung: Gekniffen sind die Leute in prekären Verhältnissen
Der „Monitor Verwaltungshandeln“ deckt Behördenmängel in Hamburg auf. Probleme gibt es vor allem bei Asylbewerberleistungen und im Jobcenter.

Zwischen dem 11. Oktober 2023 und dem 31. Dezember 2024 wurden 1.266 Meldungen mit insgesamt 3.724 Problemanzeigen erfasst, die auf gravierende Schwächen im Verwaltungssystem hinweisen. Der Bericht ist nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern auch ein Appell: Die Verwaltung soll den Bedürfnissen der Bürger:innen gerecht werden und soziale Rechte konsequent sichern.
„Es ist nicht akzeptabel, wenn Hamburger:innen ihre Rechtsansprüche nicht durchsetzen können, weil Behörden nicht erreichbar sind, Unterlagen nicht an ihr Ziel gelangen oder Anträge monatelang nicht bearbeitet werden“, sagt Sandra Berkling von der AGFW.
Gestartet wurde das Projekt im Oktober 2023. Ziel ist es, Zugangshürden bei Behörden systematisch zu erfassen und sichtbar zu machen. Beratungsstellen können online anonym Probleme und kritische Erfahrungen melden, die in regelmäßigen Reports veröffentlicht werden.
Lobbyarbeit gegen Ausgrenzung
Die Ergebnisse sind also keine repräsentative Umfrage. Aber der Report gibt Einblicke in die Realität von Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Die AGFW will damit die Lobbyarbeit gegen Armut und soziale Ausgrenzung stärken und unbürokratische Behördenzugänge für alle Hamburger:innen fördern. Bundesweit ist das Projekt bislang einmalig, nur in Berlin gab es nach dem Hamburger Vorbild ein ähnliches, aber nur dreimonatiges Projekt.
Strukturelle Schwächen sind vor allem bei den stark nachgefragten Behörden akut: 85 Prozent der Anzeigen konzentrieren sich auf zwei Behörden – das Amt für Migration – Abteilung Auszahlung Asylbewerberleistungen, mit 43 Prozent der Anzeigen sowie das Jobcenter Team Arbeit Hamburg mit 42 Prozent.
Bei weiteren erfassten Behörden wie den Fachämtern Grundsicherung und Soziales (acht Prozent), dem Hamburg-Service vor Ort – Ausländerangelegenheiten (drei Prozent), der Familienkasse (zwei Prozent) und den Fachstellen für Wohnungsnotfälle (zwei Prozent) gibt es deutlich weniger Probleme.
Besonders häufig bemängelt werden die Erreichbarkeit (47 Prozent der Einträge), der Umgang mit Unterlagen (22 Prozent), also wenn etwa digital eingesandte Dokumente beim behördeninternen Ausdrucken verloren gehen und nachgefordert werden, sowie Geldleistungen und Bearbeitungszeiten (20 Prozent).
Die Einträge im Bericht sprechen für sich: So berichtet eine Klientin, wie sie im Mai 2024 beim Amt für Migration sexistisch behandelt wurde – ein Mitarbeiter unterstellte ihr, „Waffen im BH“ zu tragen, und wies sie ab. Eine Frau beklagt, dass das Jobcenter Lokstedt sie nicht bei der Krankenversicherung meldete, obwohl der Versicherungsstatus auf dem Leistungsbescheid angegeben war – sie war schwanger und seit zwei Monaten unversichert.
Ein anderes Beispiel aus dem September zeigt, wie ein Hilfesuchender ohne Obdach bei der Fachstelle für Wohnungsnotfälle trotz frühzeitiger Ankunft abgewiesen wurde, weil Termine fehlten.
Besonders häufig sind Menschen mit geringem Einkommen, eingeschränktem Zugang zu Bildung oder fehlenden digitalen Kompetenzen betroffen, weil sie oft auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.
Lange Wartezeiten, unklare Kommunikation und bürokratische Hürden treffen diese Menschen überproportional, weil sie weniger Ressourcen haben, um solche Hindernisse zu überwinden. Wer ohnehin in prekären Verhältnissen lebt, erlebt Verwaltungsprobleme nicht nur als Ärgernis, sondern als existenzielle Belastung.
Der Bericht fordert dringende Maßnahmen: Behörden müssten erreichbarer werden – etwa durch mehr Personal, bessere digitale Zugänge und klarere Terminvergaben. Der Umgang mit Unterlagen soll effizienter gestaltet werden, indem bereits eingereichte Dokumente nicht erneut angefordert werden. Zudem wird ein respektvollerer Umgang mit Hilfesuchenden gefordert. Schließlich sollen Geldleistungen schneller und verlässlicher ausgezahlt werden, um Notlagen wie Wohnungslosigkeit zu verhindern.
„Uns ist es ein Anliegen, die Erkenntnisse aus dem Monitor zu nutzen, um Lösungen für die bestehenden Probleme zu finden“, sagt Berkling. Das solle gemeinsam mit den Behörden geschehen. „Wir fordern aber auch die Politik dazu auf, Ressourcen bereitzustellen, um Verbesserungen überhaupt zu ermöglichen“, ergänzt Berkling.
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