Bergung der "Costa Concordia": Abwracken am Abgrund
Bis März dauert das Abpumpen des Treibstoffes der "Costa Concordia" – ein Schwimmkran soll das Schiff aufrichten. Das Schweröl gefährdet ein Meeresschutzgebiet.
HAMBURG taz | Das Abpumpen des giftigen Schweröls aus den Tanks der "Costa Concordia" verzögert sich. Die Aktion dürfte frühestens am Sonnabend beginnen, sagte Franco Gabrielli, Krisenstabsleiter auf der italienischen Insel Giglio. Danach wird es mindestens vier Wochen dauern, bis der Treibstoff abgepumpt ist - obwohl rund um die Uhr gearbeitet wird. Erst danach kann die eigentliche Bergung des Schiffes beginnen.
Der Treibstoff ist die größte Gefahr für das Meeresschutzgebiet vor der Toskana-Insel Giglio. In den Tanks des 290 Meter langen Albtraumschiffes befinden sich 2.385 Tonnen Kraftstoffe, ganz überwiegend Schweröl. Während in Nord- und Ostsee schärfere Umweltauflagen dafür sorgen, dass Kreuzfahrer mit dem vergleichsweise sauberen, aber teureren Diesel fahren, wird im Mittelmeer außerhalb von Häfen der Billigtreibstoff eingesetzt. Schweröl bleibt in den Raffinerien bei der Herstellung von Benzin, Diesel und Heizöl als dreckiger Bodensatz übrig und wäre an Land eigentlich Sondermüll.
Zudem ist Schweröl - der Name sagt es - schwer. Wenn die rund 2.000 Tonnen an Bord der "Costa Concordia" unkontrolliert ausliefen, dürfte das hochgiftige, teerartige Öl auf den Meeresboden absinken und von der Brandung an die seichten Küsten geschwemmt werden. "Damit würden weite Areale unweigerlich zum Friedhof für alle Lebewesen", befürchtet der NABU-Meeresbiologe Kim Detloff. Zehntausende Meerestiere, die in dem Nationalpark Toskanischer Archipel leben, sind bedroht.
Nach einer Unterbrechung wegen schlechten Wetters ist die Suche nach Vermissten am Wrack der "Costa Concordia" wieder aufgenommen worden. Sowohl in dem gesunkenen als auch in dem aus dem Wasser ragenden Teil des Schiffs wird wieder gesucht. Der Leiter des Krisenstabs sagte jedoch, es käme "einem Wunder gleich", wenn noch Überlebende gefunden würden.
Die Suche nach den noch 16 Vermissten war am Mittwochmorgen kurzzeitig unterbrochen worden, weil starker Wind und Wellengang die Einsatzkräfte zu stark gefährdeten.
Bisher wurden aus dem Wrack 16 Leichen geborgen. Zum Zeitpunkt des Schiffsunglücks am 13. Januar waren mehr als 4.200 Menschen an Bord.
Welche Schäden schon weit kleinere Mengen anrichten können, zeigt das Beispiel des 1998 vor Schleswig-Holstein in der Nordsee auf Grund gelaufenen Frachters "Pallas". Damals tötete laut WWF eine vergleichsweise geringe Menge von etwa 100 Tonnen ausgelaufenen Schweröls mehr als 16.000 Seevögel.
Katastrophe verhindern
Eine solche Katastrophe vor Giglio verhindern soll das niederländische Bergungsunternehmen Smit Salvage. Reederei und Küstenwache hatten Smit am Montag grünes Licht für das Abpumpen des Treibstoffs gegeben. Ein Öltanker mit Spezialausrüstung, der Schwimmkran "Meloria" und Hilfsschiffe sind vor Giglio eingetroffen.
Die 17 Tanks, die tief im Inneren des stählernen Rumpfes liegen, müssen nun von Tauchern doppelt angebohrt werden: Ein Loch zum Abpumpen, durch das andere wird heißer Wasserdampf in die Tanks gepumpt, um das Schweröl zu verflüssigen. Bis zu einer Temperatur von 50 Grad Celsius ist der Kraftstoff eine zähe Masse und unpumpbar.
Bleibt das oft stürmische Mittelmeer ruhig, könnte Smit diese Routinearbeit bis Ende März erledigt haben. Beim Nabu ist man "zuversichtlich", dass es klappt. "Damit wäre die schlimmste Gefahr behoben", so Schifffahrtsexperte Dietmar Oeliger.
Danach wird sich alles um eine grundsätzliche Frage drehen: bergen oder zerschneiden?
Fest steht: Die "Concordia" ist schrottreif. Das Salzwasser wird Kabineneinrichtungen und teure Elektronik, die das gesamte Schiff durchzieht, in kurzer Zeit zerfressen, und selbst die Discounttouristen der Reederei Costa werden zukünftig ungern Urlaub auf einem Totenschiff verbringen.
Smit Salvage war es vor 25 Jahren gelungen, vor Zeebrügge die gekenterte Ärmelkanalfähre "Herald of Free Enterprise" mit einem Dutzend Kräne wieder aufzurichten. Doch bei der "Concordia" sind die Bedingungen ungleich schwieriger: Sie liegt auf einem Felsenriff im Wellengang und droht über eine Kante bis auf 100 Meter Tiefe abzurutschen. Außerdem müssen hier erstmals in der Bergungsgeschichte 50.000 Tonnen Stahl bewegt werden.
Bergungsexperten von der Konkurrenz halten eine solche technische Meisterleistung freilich für möglich. Hierzu könnten Ösen seitlich an den Rumpf geschweißt werden, durch die Stahlseile um den Schiffsrumpf gezogen und an Land verankert werden (siehe Grafik). In diesem "Ring" könnte dann die "Concordia" mit Schwimmkränen und Luftkissen wieder aufgerichtet werden. Anschließend würde der etwa 50 Meter lange Riss im Rumpf, der den Menschen an Bord zum Verhängnis wurde, mit Stahlplatten versiegelt und das Schiff leer gepumpt.
Sollte die "Concordia" jedoch über die Klippe in die Tiefe sinken, bliebe nur das Zerschneiden des 450 Millionen Euro teuren Schiffes am Meeresboden.
Auch hier kann Marktführer Smit - in kleineren Dimensionen - Erfolge vorweisen. So wurde der Transporter "Tricolor" mit mehr als 6.000 Autos an Bord im Ärmelkanal vor einem Jahrzehnt mit einer Seilsäge in neun Teile zerschnitten und die Wrackteile gehoben. Die Bergung dauerte länger als zwei Jahre.
Doch Zerschneiden ist nach Expertenmeinung nicht nur finanziell und technisch die schlechtere Lösung: Bewegliche Teile, Reinigungsmittel und Schmieröle würden ins Meer hinaustreiben.
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