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Berghain-DJ Ben KlockDunkles, warmes Rumpeln

Das Berghain ist berühmt für seinen reduzierten, rohen Klang. Ben Klock ist einer der stilbildenden DJs. Sein Debütalbum führt vor, was die Musik an diesem Ort so besonders macht

Bringt den Berghain-Mythos zum Klingen: Ben Clock. Bild: label bpitch control

Ein bisschen größenwahnsinniger könnte Ben Klock schon sein. Immerhin hat der Resident-DJ im Berliner Club Berghain mit seinen spartanischen Sets maßgeblichen Anteil am Erfolg seiner Spielstätte. Und der ist amtlich: Im vergangenen Jahr wurde der Techno-Club von der Online-Autorität Resident Advisor zum Club des Jahres gekürt, weitere Bestenplätze belegten das clubeigene Label Ostgut Ton einschließlich des dort erschienenen Albums "Shedding the Past" von Shed und Marcel Dettmanns DJ-Mix "Berghain 02". Nun hat Ben Klock als erster Berghain-DJ ein mit großer Euphorie erwartetes Solodebüt auf Ostgut Ton abgeliefert, doch von einem "Wir sind die Besten"-Rausch ist der siebenunddreißigjährige Berliner mit seiner zurückhaltenden Art weit entfernt.

"So ein Hype ist immer etwas gefährlich, aber so ist es dann halt jetzt", lautet sein stoischer Kommentar zur Berghain-Mania, von der er gegenwärtig reichlich zu spüren bekommt. Ans Musikmachen ist kaum zu denken, ein Interviewtermin jagt den nächsten, auch Remix-Aufträge müssen warten. Immerhin kann er sich freuen, dass sein Album "One" wenig Aussicht hat, ungehört in der Veröffentlichungsflut auf dem Tonträgermarkt unterzugehen, ist ihm doch ein musikalisches Statement gelungen, mit dem er den Klang des Clubs in gelassener Erhabenheit völlig eigenständig interpretiert. Eine Fortsetzung der Superlativgeschichte des Berghain scheint unvermeidlich.

Wie kommt es, dass gerade dieser Club Nachthungrige aus aller Welt in Pilgerscharen anzieht? Der beispiellose Erfolg des Berghain lässt sich wohl nur durch das Zusammenspiel seiner Besonderheiten erklären. Schon der Ort, ein altes Heizkraftwerk in der Nähe des Ostbahnhofs, überwältigt die Besucher, wenn sie die Stufen zur gewaltigen Halle hinaufsteigen, um sich zwischen dunkel beleuchteten Betonwänden einzufinden. Seit dem Jahr 2004 kann man auf der Tanzfläche des Berghain zu Techno tanzen oder in der höher gelegenen kleinen Panoramabar House Music mit Blick ins Freie genießen. Oft ist von einer Kathedrale die Rede, so oft, dass der Begriff zum Klischee zu verkommen droht, doch Ben Klock stört sich nicht an dem Ausdruck: "Das sind schon so ein bisschen heilige Hallen."

Ein toller Raum allein macht allerdings noch keinen guten Club, insbesondere, wenn der Klang nicht stimmt. Zwar ist nackter Beton nicht unbedingt für akustische Brillanz bekannt, doch das Berghain verfügt über eine Anlage der britischen Soundsystem-Pioniere Funktion One, bei der Höhen und Tiefen laserscharf getrennt werden, so dass sich die Tänzer wie durch verschiedene Klangschichten bewegen. Spielentscheidend ist ein klarer Bass, an dem es oft genug auf den Tanzflächen mangelt. Im Berghain gibt es sehr viel Bass, doch hier bewirkt er, dass man mehr davon will: "Das Tolle daran ist, der Sound ist warm, und obwohl es laut ist, tut es nicht in den Ohren weh. Es wirkt trotzdem immer noch weich und rund."

Von hartem, kaltem Techno kann man beim Berghain tatsächlich kaum sprechen. Was aus den Boxen strömt, erinnert eher an dunkles, rohes Rumpeln. Und so reduziert der Klang des Berghain sein mag, hat die Musik mit handelsüblichem Minimalismus nur oberflächlich gesehen viel gemein. Fans gilt der Berghain-Stil als "Old-School-inspirierter Techno, nur langsamer". Die Residents, neben Ben Klock vor allem Marcel Dettmann, Len Faki, Marcel Fengler und Norman Nodge, sind bekannt dafür, dass sie ihre Endlosschleifen mit reduzierter Geschwindigkeit von den Plattentellern rollen lassen. In ihre Sets mischten sie von Anfang an alte Techno-Nummern, die im Original wesentlich hochtouriger sind: "Wenn man so eine Robert-Hood-Platte aus den Neunzigern nimmt, ist die rasend schnell, und man steht dann wie paralysiert da. Heutzutage kann man das nicht mehr richtig nachempfinden. Diese Sachen funktionieren aber super, wenn man sie minus sechs, minus acht spielt, dann kriegen die viel mehr Sexiness, und die Stücke wirken ganz anders."

Ihre Wirkung entfalten die Stücke während der endlosen Nächte allmählich und unaufhaltsam, nach und nach werden die Tänzer von der "warmen Klangdusche" in einen Strudel aus Meditation und Ekstase gezogen. Wer will oder nicht mehr anders kann, sucht einen der Darkrooms auf, mitunter soll es in den Morgenstunden auch auf der Tanzfläche zu Handgreiflichkeiten kommen. Das Berghain führt damit die Tradition seines legendären Vorgängers Ostgut fort, eines Technoclubs, in dem schwule Sexpartys zum festem Programm gehörten. So beruht der Mythos Berghain auch auf der Verheißung großer Ausschweifungen.

Diesen Mythos bringt Ben Klock auf "One" zum Klingen. Statt einer bloßen Sammlung von Clubtracks liefert er eine variantenreiche Version seiner Vision von Techno, ein dunkler Monolith aus Bass und Rhythmus. Alles fließt organisch und mit einer kompromisslosen Tiefe, durchsetzt mit vereinzelten Melodiefragmenten. Nicht jedes Stück folgt dem Gesetz des geradlinigen Beats, mit "Gold Rush" gibt es sogar eine zurückhaltend stolpernde Nummer im Dubstep-Stil, der breakbeat- und hallbetonten verlangsamten Antwort auf den hektischen Drum n Bass der Neunziger. Sehr schön auch die beiden Stücke mit der Sängerin Elif Biçer, deren geloopte Stimme Ben Klock behutsam in seinen Klang einarbeitet.

Zur elektronischen Musik kam er alles andere als direkt. Als Jugendlicher lernte Ben Klock Gitarre und Klavier, spielte und sang in einer Folkrock-Band, für die er Songs schrieb. Jazz begeisterte ihn ebenso wie der Minimalismus von Steve Reich, der ihm den Weg in die Reduktion bahnte. "Als es in den Neunzigern mit Techno, House und Jungle losging, fand ich das spannend. Mich zurückzuschrauben und ganz minimal auf das Wesentliche zu fokussieren, war toll." Mit seinem früheren Verständnis von Musik zu brechen, fiel ihm leicht. Für ihn war die neue Erfahrung viel intensiver als das "Rumgeklimper" von einst.

Beim Musikmachen ließ er sich von Anfang an Zeit. Von der ersten Schallplatte aus dem Jahr 1998 an veröffentlichte er in zehn Jahren rund ein Dutzend Maxis. Als DJ legt er seit den frühen Neunzigern auf, und obwohl er schon eine Weile im internationalen Club-Geschäft unterwegs ist, arbeitete er bis zu Beginn des Jahres unter der Woche als Grafiker. Musik konnte er nur abends oder an freien Wochenenden produzieren. Es gab sogar einen Punkt, an dem er kurz überlegte, ob er das Auflegen ganz sein lassen sollte. Bis das Berghain kam.

"Das war der Kick-off für alles, was dann passierte", resümiert Ben Klock die Zeit bis heute. "Obwohl ich davor schon viele Jahre aufgelegt hatte, hat es mir da erst richtig Spaß gemacht. Es war, wonach ich immer gesucht habe." Auch seine Mitstreiter im Berghain, überwiegend aus Berlin oder dem Umland stammend, scheinen, oft unbewusst, auf ein Ziel hingearbeitet zu haben, dessen Erreichen von kontinuierlichen Erfolgen belegt wird. "Wir haben das gemacht, woran wir glauben, was wir mögen."

Das Beharren auf dem eigenen Ding brachte es mit sich, dass die Veröffentlichungen auf dem Hauslabel Ostgut Ton sehr bewusst gewählt wurden. "Bei einem Track überlegen wir lieber fünfmal, ob der jetzt raus muss. Lieber eine Platte zu wenig als eine Platte zu viel." Mit dieser Haltung stand das Berghain quer zur inflationären Release-Politik der vergangenen Jahre. Bei ihren Veröffentlichungen hingegen haben die Residents freie Hand. "Da ist schon ein großes Vertrauen in unsere Kompetenz." Ben Klocks Album bekam der Berghain-Chef Michael Teufele zum ersten Mal zu hören, nachdem es fertig war. Bei Prosumer, der als Resident den Klang der Panoramabar prägt, war das gemeinsame Debüt mit dem Produzenten Murat Tepeli vom vergangenen Jahr bei der Ablieferung sogar schon vollständig gemastert. Auch hier belohnte der Erfolg das Vertrauen. Als nächste Berghain-Kostprobe mit Suchtpotenzial erscheint im April eine Mix-CD von Len Faki. Das Berghain versteht sich dabei nicht bloß als Club zum Tanzen. Projekte wie die in Zusammenarbeit mit dem Staatsballett Berlin entstandenen Techno-Choreografien "Shut up and dance! Updated" oder die Zusammenarbeit mit der Klassik-im-Club-Reihe Yellow Lounge sind Ausdruck kultureller Interessen jenseits besinnungsloser Feierei. Seit kurzem gibt es oberhalb der Toiletten der Panoramabar eine neue Rückzugsebene mit Galerie zur Tanzfläche, die Wände zeigen Arbeiten des Künstlers Marc Brandenburg. Ein Bilddetail ziert auch das Cover von "One".

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4 Kommentare

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  • A
    Antitowel

    Liebes Berlin!

    Köln hat angerufen, es will seinen zehn Jahre alten Sound wieder haben!

  • S
    Spooky32

    Das Schöne am Berghain ist, dass dort die Leute noch wirklich Spaß haben wollen und alles dafür tun, diesen auch zu bekommen !

    Ob nun eine Platte mit 120 Bpm oder 180 Bpm gespielt wird, darauf kommt es nicht an !

  • I
    iBot

    Drum & Bass war in den 90ern auch nicht hektischer als heute, und wenn die Zeile suggerieren soll, dass Drum & Bass ein 90er-Phänomen gewesen sei und heute von Dubstep abgelöst worden ist.....das ist falsch. :)

  • D
    Dirk

    Früher war es sexy eine Robert Hood Platte auf +3 zu spielen, heute soll es sexy sein, wenn die auf -6 dödelt ? Übermorgen muss es wieder Tempo sein !

    Berlin langweilt momentan aber ungemein mit diesem konformistischen Techno Minimal Style bzw. mit dem konformistischen Tempowahnsinn (alles zwischen 125-130 bpm oder wat?), da ändert auch das Berghain nichts dran, obwohl es sich hier sicherlich um ein feines Club-Biotop handelt.