Bergarbeiter können Konzerne verklagen: Hoffnung für Südafrikas Kumpel
Minenarbeiter leiden wegen übler Arbeitsbedingungen an Staublungen. Nun dürfen sie Sammelklagen gegen die Bergbaukonzerne einreichen.
„Die Minenbosse wissen nun, dass die Bergleute keine Spielzeuge sind, sondern sie sind Menschen und verdienen es besser“, sagte der ehemalige Bergarbeiter Hendrik Mokoena nach der Verkündung. Der Richter betonte, dass es für viele Bergleute unmöglich sei, einzeln gegen die Unternehmen vorzugehen, da ihnen die finanziellen Mittel fehlten. Sie werfen den Unternehmen vor, ihre Sorgfaltspflicht verletzt zu haben.
In vielen Bergwerken habe es demnach keine Schutzausrüstung gegeben, die die Arbeiter vor dem Einatmen gefährlicher Stäube geschützt hätte. Vor allem in Goldminen, wo das in silikonreichem Quarzgestein verborgene Edelmetall gewonnen wird, entsteht beim Bohren und Abräumen ein gesundheitsgefährdender Staub. Er enthält Teilchen, die noch nach Jahren die Bildung von Gewebeknoten in der Lunge verursachen und so bewirken, dass die Aufnahme von Sauerstoff immer stärker eingeschränkt wird. Die Krankheit ist auch unter dem Namen Silikose bekannt. Eine Heilung gibt es nicht.
Zudem sind die geschädigten Lungen besonders anfällig für Tuberkuloseerreger. Neben Aids ist die Infektionskrankheit heute die häufigste Todesursache in Südafrika. Auf Beschwerden reagierten die Bergbaufirmen nicht.
Wegen Erkrankung für die Firma nutzlos
Vuyani Dwadube arbeitete als Steinbohrer der Harmony Goldmine in den Stollen. 1995 wurde er entlassen und stellte vier Jahre später fest, dass er an Tuberkulose litt. Er kommt gebürtig aus der ärmsten Provinz Südafrikas, dem Ostkap, und konnte seine Familie dort kaum noch unterstützen. „Wir waren die Angestellten der Konzerne und haben ihren Profit gebracht, aber sie haben uns lieber aus den Firmen hinausgeworfen“, sagt er über seine früheren Arbeitgeber.
Auch Mokoena ist 2007 an Tuberkulose erkrankt. Er hatte in der Beatrix-Mine des Unternehmens Gold Fields bei Welkom gearbeitet. 2009 wurde er nach Hause geschickt – mit 87.000 Rand Abfindung (heute umgerechnet etwa 5.000 Euro). Er könne nicht mehr in einem Bergwerk beschäftigt werden, sagte der Arbeitgeber. Für die Firma war er wegen seiner Erkrankung nutzlos geworden.
Hendrik Mokoena, Bergmann
Aber Mokoena musste trotz Jobverlust und Krankheit seine Familie ernähren. „Wie sollte ich damit in meinem Alter leben“, fragt er. Damals sei er 40 Jahre alt gewesen und hatte neun Jahre in der Mine gearbeitet. Die Familie konnte den Einkommensverlust nicht ausgleichen, mangels Geld blieb der ältesten Tochter der Weg an die Universität versperrt.
Dennoch hatte der ehemalige Bergarbeiter Glück im Unglück. Denn schließlich fand er Arbeit bei dem Menschenrechtsanwalt Richard Spoor, der jetzt die Sammelklage mit Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen wie der HIV Lobbygruppe Treatment Action Campaign und Sonke Gender Justice durchgesetzt hat. Nun hat Mokoena vielleicht noch eine Chance auf Schadenersatz. Viele seiner Kumpels sind inzwischen verstorben.
Zahlen oder klagen
Die Bergbauunternehmen wollen das Urteil zunächst genau analysieren und dann entscheiden, ob sie dagegen klagen oder sich auf Zahlungen für ihre ehemaligen Mitarbeiter einigen. Käme es tatsächlich zu Prozessen, würde das die Firmen eine Menge Geld kosten. Die Risikoberatung Verisk Maplecroft geht davon aus, dass sie dann mit Stellenstreichungen reagieren werden. „Auf die angeschlagene Bergbauindustrie kommen teure Zahlungen im großen Rahmen zu, die sie sich nicht leisten kann“, sagte Afrika-Expertin Ruth Bookbinder.
Südafrikas Reichtum ist vor allem durch die vielen armen Migranten entstanden, die aus den Nachbarländern oder den ländlichen Gebieten Südafrikas kommen. Weil sie keine anderen Möglichkeiten haben, arbeiten sie trotz der Risiken und schlechten Bedingungen unter Tage in den Minen, dem schleichenden Tod ausgesetzt.
In der Höchstphase der südafrikanischen Goldproduktion in den 1980er Jahren waren bis zu einer halben Million Männer gleichzeitig in den Minen beschäftigt. Gesundheitsschäden davongetragen haben laut Gericht insgesamt zwischen 17.000 und 500.000 Bergarbeiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana