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Archiv-Artikel

Beredtes Schweigen bei den Menschenrechten

Delegationen aus China machen der nordrhein-westfälischen Wirtschaft Hoffnung auf neue Absatzmärkte. Die Menschenrechte stehen nicht auf der Tagesordnung. Landesregierung: „Bei politischen Fragen halten wir uns zurück“

DÜSSELDORF taz ■ Seit Monaten geben sich Delegationen aus China in der Düsseldorfer Staatskanzlei die Klinke in die Hand – doch über Politik wird bei diesen Besuchen nicht gesprochen.

Zentrales Thema sind die Wirtschaftskontakte zwischen NRW und den gleich drei chinesischen Partnerregionen. Landespolitiker werden nicht müde, China als „gewaltigen Zukunftsmarkt zu rühmen“ und nordrhein-westfälische Unternehmer ins Geschäft zu bringen. Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion Rüdiger Sagel erklärt, dass „China natürlich ein Wachstumsmarkt“ sei, der für die regionale Wirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinne. Dennoch, räumt er ein, müssten die ökonomischen Interessen mit Menschenrechtsanliegen verbunden werden: „Das sind Punkte, die die Landesregierung von der chinesischen Seite einfordern müsste, wenn man langfristig zu ‚normalen‘ Beziehungen kommen will.“ Eine Diskussion darüber habe es innerhalb der rot-grünen Koalition in Düsseldorf aber nicht gegeben, so Sagel.

Auch Wirtschaftsvertreter haben wenig Ehrgeiz, den Chinesen die Menschenrechtsfrage zu stellen. Statt dessen setzen sie auf die Wirkung der Marktwirtschaft: „Je mehr wir dort investieren und privatisieren, um so mehr wird sich das Land öffnen“, erklärt der Hauptgeschäftsführer der Industrie-und Handelskammer (IHK) Bochum, Tillmann Neinhaus. Wenn also die Investitionen aus dem Ausland Gradmesser für Demokratisierung Chinas sind, dann leisten die nordrhein-westfälischen Unternehmen einen Nobelpreis-verdächtigen Beitrag: Allein die Bochumer IHK betreut 20 mittelständische Unternehmen, die sich in China angesiedelt haben.

Dieses Engagement ist ganz nach dem Geschmack des Wirtschaftsministeriums. Minister Schartau unterstrich, dass die engen Beziehungen zwischen NRW und China ein „ausgezeichneter Rahmen“ für NRW-Unternehmen seien, um die „großen Chancen des chinesischen Marktes“ zu ergreifen. Zum Thema Menschenrechte erklärte ein Ministeriumssprecher: „Bei politischen Fragen halten wir uns zurück.“

Bei Amnesty International stößt das Schweigen über die Menschenrechtssituation hingegen auf Kritik. Auf landespolitischer Ebene spielten die Themen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit keine Rolle, so eine Sprecherin: „Statt dessen gibt es immer nur Ausflüchte und Verweise auf die Politik der Bundesregierung.“ ULLA JASPER