streiks im einzelhandel : Berechtigte Forderungen
1.500 Euro. Das ist der Mindestlohn, den die Gewerkschaft Ver.di mit den aktuellen Streiks im Einzelhandel unter anderem durchdrücken will. Brutto, wohlgemerkt, und natürlich für einen Vollzeitarbeitsplatz – unterm Strich bleibt da eine Summe, von der ein Alleinstehender selbst im günstigen Berlin gerade mal leben kann. Allein diese Zahl macht deutlich, welch verzweifelten Kampf die Arbeitnehmervertreter in der harten Branche führen – und wie berechtigt ihre Forderung nach mehr Geld für die Beschäftigten in Supermärkten wie Reichelt und Extra ist.
KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE
Sowohl Politik als auch Firmenketten haben den VerkäuferInnen in den vergangenen Jahren immer mehr zugemutet: Sie sollen am Wochenende arbeiten, zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten an der Kasse parat stehen und mit immer weniger Personal ihren Laden sauber halten und mehr Güter verkaufen. Da nun die Konjunktur schon seit längerem anzieht, wie es die Analysten nicht müde werden zu preisen, macht die Gewerkschaft mit Streikdrohungen schlicht ihren Job: Sie sorgt dafür, dass vom Geldsegen etwas bei denen ankommt, die ihn generieren.
Wobei auch sie eine Tatsache nicht verschweigen sollten: Die Mitarbeiter von Reichelt und Extra können sich sehr wohl noch die Butter aus dem eigenen Regal leisten – sie gehören zu den Beschäftigten im Einzelhandel, denen es vergleichsweise gut geht. Für die Rechte der Verkäuferin allerdings, die etwa bei Lidl an der Kasse sitzt, macht sich niemand stark. Die Discounter verhindern mit Tricks und Drohungen die Gründung von Betriebsräten, sie sind – trotz massiver Kritik – nach wie vor gewerkschaftsfreie Zonen. Entsprechend katastrophal sind die Arbeitsbedingungen. Der Streik in den Supermärkten ist daher wichtig. Er darf aber den Blick auf die wichtigeren Baustellen nicht verstellen.