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Beratung über Libyen-KriegRebellen als Regierung anerkannt

Beim Treffen der Libyen-Kontaktgruppe haben mehr als 30 Staaten beschlossen, das Regime Gaddafis nicht länger als Regierung anzuerkennen.

US Außenministerin auf dem Treffen in Istanbul: Die USA wollen die libysche Opposition stärker unterstützen. Bild: reuters

ISTANBUL/GOUALISCH/BERLIN afp/taz | Die internationale Libyen-Kontaktgruppe hat gestern auf ihrer vierten Sitzung im türkischen Istanbul der Regierung Gaddafi offenbar ihre Anerkennung entzogen. Man erkenne den Nationalen Übergangsrat der Aufständischen im ostlibyschen Bengasi als "legitime Regierung" Libyens an, heißt es in der Abschlusserklärung der Kontaktgruppe, die gestern Abend verabschiedet werden sollte und deren Entwurf vorab am Rande der Tagung zirkulierte. Die Rebellen werden weiter aufgefordert, unverzüglich eine Regierung zu bilden.

Es ist der bisher größte diplomatische Durchbruch der Rebellen, und er erfolgt zu einer kritischen Zeit. Seit Wochen klagt der Nationalrat in Bengasi, ihm gehe allmählich das Geld aus und der Prozess der Übertragung der Hoheit über im Ausland eingefrorene Gaddafi-Vermögen gehe viel zu langsam voran. Die internationale diplomatische Anerkennung könnte dies nun beschleunigen, da die Gelder dann dem Nationalrat zustehen.

Zusätzlich meldete gestern der Londoner Fachbrief Petroleum Economist, die Wiederaufnahme der bislang unterbrochenen Ölförderung im Rebellengebiet stehe unmittelbar bevor. Die von Gaddafi-Truppen beschädigten Installationen der Ölfelder Sarir und Misla, wo vor dem Krieg über 300.000 Barrel pro Tag gefördert wurden, seien repariert, und eine südliche Schutztruppe werde dieser Tage stationiert, hieß es unter Berufung auf Quellen in der Ölindustrie. Das Öl könne durch den ostlibyschen Hafen Tobruk exportiert werden. Dort wurden seit Kriegsbeginn lediglich drei Öltanker abgefertigt, und nur von einem ging der Erlös an die Rebellen in Bengasi. Nicht zufällig werden seit Donnerstag wieder schwere Kämpfe um den strategisch wichtigen zentrallibyschen Ölhafen Brega gemeldet.

An der westlibyschen Kriegsfront in den Nafusa-Bergen südlich der Hauptstadt Tripolis erzielten die Aufständischen nach Berichten vor Ort einen Durchbruch. Sie schlugen eine Gegenoffensive der Gaddafi-Truppen zurück und standen gestern früh vor der nur 80 Kilometer von Tripolis entfernten Stadt Assaba, die sie unter Beschuss nahmen. Die Einnahme Assabas würde den Rebellen den Weg nach Gharyan ebnen, letzte wichtige strategische Position der Gaddafi-Truppen vor Tripolis und ein Knotenpunkt der Treibstoffversorgung Gaddafis aus Algerien.

In Istanbul sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu, er hoffe auf eine politische Lösung des Konflikts vor Beginn des Ramadan im August. Es wird über die Möglichkeit diskutiert, dass Gaddafi sich gegen Sicherheitsgarantien aus der Politik zurückzieht und der Rest seiner Regierung sich mit den Rebellen in Bengasi zusammentut.

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6 Kommentare

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  • Z
    zombie1969

    Die Angriffe der Nato müssen solange fortgesetzt werden bis das gesamte Regime weggefegt ist. Nur schon eine kürzere Pause der Angriffe würde Gaddafi nutzen um seine Truppen neu zu organisieren um sie wieder auf die Bevölkerung loszulassen.

    Aufgrund der Vita Gaddafis dürfte es leider keine andere Lösung geben.

  • HE
    Hans-Peter Ernst

    @ Josef Riga

     

    Gaddafi verschwindet aus der Geschichte, wie Stalins Nachfolger und Erich Mielke. So lang Sozialisten nicht begreifen, dass ein autoritärer Staat mit Stasi, Folter, Mord keine wünschenswerte Zukunft ist, sind sie nur zu verachten.

  • W
    WaltaKa

    Ein Angriffskrieg wird legitimiert. Was sagen die Medien eigentlich dazu, dass Gaddafi nach 4 Monaten Angriffskrieg immer noch lebt und regiert? Den angeblichen Volksaufstand gibt es wohl offensichtlich doch nicht. Ganz deutlich sind die sogenannten Rebellen und ihre aus den USA und London eingeflogenen 'Führer' Söldner von US-Gnaden. Oder glaubt hier wirklich einer, Frankreich, Italien und GB dürften von alleine Angriffskriegen? Länder ohne Atomwaffen: spätestens von nun an solltet ihr Angst vor einem Angriff des freien Westens haben. Gründe lassen sich finden. Next Time in Teheran? Nachdem es mit der US-Grünen Revolution im Iran zuletzt nicht geklappt hat, hat der Westen ja bald wieder freie Bomber. Deutsch-Saudi arabische Leopard 7 Panzer an vorderster Bodenfront. Ich kann schon lesen, wie sich die 'freie' Presse ihre blutverschmierten Hände reibt und auf das nächste Blutvergießen und den nächsten tollen Krieg freut. Diese ganze Kriegsberichterstattung ist übrigens ein erbärmliches Zeugnis für die deutschen

    Medien und die angeblich vorhandene Pressefreiheit.Da ich nicht glaube, dass sämtliche Medienleute das Denken einstellten, stellt sich die Frage, wer hier 'korrigierend' die Vorgabe gibt.Naja, über Diekmann ist die taz ja bestens zu Springer vernetzt und damit direkt zum MonteBilder. Das letzte Treffen in Zürich hat wohl den Krieg gegen Libyen und die begleitende Berichterstattung vorgeschlagen?

    Gegen diese Realität ist Orwells 1984 ein Märchenbuch.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Das Ausland setzt eine Regierung ab die jahrzehntelang durch dieselben Länder völkerrechtlich anerkannt wurde! Auf welcher Rechtsgrundlage? Menschenrechte? Todesstrafen- und Unrechtskriegsland USA bricht sie jeden Tag. Vor den Augen der Völker wird das Völkerrecht zur Fäkalie vergangener Zeiten gemacht. Es ist längst ausgehöhlt und in sich zerstört. Die USA lassen die UNO immer häufiger als Aggressor-Bärchen tanzen. Diese Nummer ist aber längst durchgekaut. Hier geht es um die koloniale Neuordnung der Welt nach dem Kalten Krieg. Doch Vorsicht ihr kleinen US-Schoßhündchen! Keiner weiss ob es die Stückschreiber,Regisseure und Marionettenspieler aus den USA in fünf Jahren noch gibt. Inländisch zerlegen sie sich nämlich gerade selbst. Danach kommt kein Cent mehr…

  • R
    Ralph

    Warum schließt Ihr Euch der allgemeinen Falschinformation zu Libyen an ? Was die Nato in Libyen veranstaltet, ist ein reiner Aggressionskrieg. Es gibt genügend Informationen im Netz, was in L. tatsächlich geschieht:

    Z.Bsp:

    http://ml-theorie-gedanken.kucaf.de/2011/06/10/auf-folgende-%E2%80%9Emanifestation-fur-libyen-und-die-einhaltung-des-volkerrechtes%E2%80%9C-wurde/

     

    Oder ein offener Brief russischer Ärzte in Libyen - siehe http://denkbonus.wordpress.com/2011/03/31/offener-brief-russischer-arzte-in-libyen/

     

    oder googelt nach Grimaldi, ein Live-Bericht von Mai 2011

    oder nach den Artikeln von Luz Maria De Stéfano Luloaga de Lenkait. Aus all dem wird deutlich, was in Libyen tatsächlich passiert.

  • JR
    Josef Riga

    Der Westen muss endlich aus Libyen verschwinden, der Kampf gegen Islam und Sozialismus muss ein Ende haben!