Benno Schirrmeister über Widerstandsunfähigkeit: Lustlose Ermittler
Nein, die Argumentation überzeugt nicht: Bremens Staatsanwaltschaft verzichtet in 18 von 20 Fällen darauf, Anklage gegen den Masseur zu erheben, dem vorgeworfen wird, in seinem Sauna-Etablissement seine Patientinnen sexuell missbraucht zu haben. Die Frauen „hätten zum Ausdruck bringen müssen, dass sie nicht einverstanden sind“, behauptet der Sprecher der Ermittlungsbehörde.
Ehrlicher wäre gewesen zu sagen: dass man keine Lust darauf hatte. Denn die zitierte Rechtsauffassung träfe vielleicht zu, hätten sich die Taten im Büro oder auf offener Straße ereignet. Haben sie aber nicht. Eine Massage in einem mit Klangschalen-Kitsch aufgerüschten Sauna-Studio ist in mancher Hinsicht eher mit einem ärztlichen Behandlungszimmer oder einer therapeutischen Einrichtung zu vergleichen – sowohl in Bezug auf das, was dort an Dienstleistung zu erwarten ist, als auch auf die Möglichkeiten, das Bewusstsein der Kund*innen einzuschränken. Und nein, selbstverständlich gilt eine Vergewaltigung in der Arztpraxis unter Narkose auch in Bremen nicht als einvernehmlicher Sex.
Der zum Tatzeitpunkt gültige Paragraf nennt das sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person. Widerstandsunfähig infolge einer „tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“, die laut Leipziger Strafrechtskommentar durch Hypnose, Drogen aber eben auch „durch mechanische Einwirkung auf den Körper“ herbeigeführt werden kann. Dass Massage in der Lage ist, einen tranceartigen Zustand herbeizuführen, ist kaum zu bestreiten.
Ein Sexualkontakt in einem derartigen Zustand bedarf – auch nach altem Recht – einer vorherigen, ausdrücklichen Einwilligung. Nur wenn diese der Staatsanwaltschaft vorläge, wäre es rechtens, die Ermittlungen einzustellen.
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