Benedikt bei Sarkozy: Beten wie der Papst in Frankreich
Beim Treffen in Paris waren sich Papst Benedikt XVI. und Präsident Sarkozy einig: Die Trennung von Staat und Religion soll aufgeweicht werden.
PARIS taz Ein großes goldenes Kreuz baumelt seit Freitag über die Bildschirme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens im laizistischen Frankreich. Es gehört dem Papst, der den ersten Frankreich-Besuch seiner dreijährigen Amtszeit begonnen hat.
Staatspräsident Nicolas Sarkozy holte Benedikt XVI. persönlich am Flughafen ab und geleitete ihn direkt in seinen Palast. Dort hielt Sarkozy strahlend eine Ansprache an seinen Gast, den er immer wieder als "Sehr Heiliger Vater" ansprach. Anschließend erinnerte Benedikt XVI. in einer ebenfalls live übertragenen Rede an die moralischen Grundprinzipien und bat Gott, Frankeich und die Franzosen zu segnen. Anstatt mit dem üblichen "Vive la République" beendet er seine Rede mit einem Gruß an "die Jungfrau Maria, die Schutzheilige Frankreichs".
Vergleichbare Ehren wie dem Papst haben Präsident Sarkozy und die öffentlich-rechtlichen Medien in den vergangenen Jahren nur einem einzigen anderen Mann zukommen lassen: dem Südafrikaner Nelson Mandela. Auch ihn holte Sarkozy am Flughafen ab. Allerdings erteilte Mandela den Franzosen keine Moralpredigten. Papst Benedikt XVI. hingegen verlangte von dem obersten Tempel der Französischen Republik aus die Einhaltung der christlichen Grundprinzipien. Unter anderem bestand er auf dem bedingungslosen Schutz des menschlichen Lebens "von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod".
Im Publikum zu seinen Füßen saßen die Spitzen der katholischen Kirche und der kleineren Konfessionen in Frankreich. Aber auch die Verantwortlichen der französischen Politik. Darunter die unehelich schwangere Justizministerin, der schwule Bürgermeister von Paris und zahlreich geschiedene Politiker, wie der in dritter Ehe verheiratete Sarkozy.
Der französischen Öffentlichkeit war Benedikt XVI. bisher nur wenig bekannt. Die Medien nannten ihn unter Anspielung auf seine deutsche Herkunft den "Bomberkardinal". Am Freitag hörten die Franzosen einen Redner, der mit einem leichten deutschen Akzent perfekt Französisch spricht und sich selbstbewusst auf dem politischen Parkett bewegt. Nach seinem Auftritt im Elysée-Palast stand eine Rede vor 800 ausgewählten Intellektuellen und Kulturschaffenden auf dem Programm des Papstes. Gefolgt von Messen und Prozessionen in Paris.
Am Samstag fliegt der Papst nach Lourdes. Dort leitet er die Feierlichkeiten zum 150 Jahrestag der "Erscheinung der Jungfrau Maria", welche die Bernadette Soubirous in einer Grotte gehabt haben will. Seither ist Lourdes eine der großen Pilgerstätten des Katholizismus.
Im Zentrum des Papstbesuches steht die Frage nach der Rolle der Religion in der französischen Politik. Sarkozy wie auch der Papst arbeiten gemeinsam an der Umwidmung des laizistischen Prinzips. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts schreibt es eine strikte Trennung von Religion und öffentlichem Leben vor. Sarkozy und der Papst sprechen neuerdings wie mit einer Stimme von einer "positiven Laizität", was einer Aufweichung des Prinzips der Trennung von Religion und Staat entspricht.
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