: „Benazir kann gewinnen“
■ Interview mit Maleeha Lohdi, Mitherausgeberin der unabhängigen pakistanischen regierungskritischen Tageszeitung 'The Muslim‘
taz: Wohin wird das Pendel bei den bevorstehenden Wahlen ausschlagen, hat Benazir Bhutto eine Chance die Mehrheit zu gewinnen?
Maleeha Lohdi: Nun, es sieht jetzt so aus, als könne Benazirs Partei die Mehrzahl der Parlamentssitze gewinnen. Aber ob, dies für eine klare Mehrheit ausreichen wird, ist derzeit noch unklar. Von den 207 Sitzen im Parlament müßte die PPP 105 für eine einfache Mehrheit erlangen, wahrscheinlich werden ihr allerdings nur 90 Sitze zufallen. Noch gibt es eine Reihe unsichere Sitze, bislang ist der Ausgang tatsächlich noch nicht absehbar.
Es hieß, daß es innerhalb der PPP zu Rangeleien gekommen sei, weil einflußreiche Landbesitzer anstelle langjähriger Parteimitarbeiter, die sich in den letzten elf Jahren unter Zias Militärdiktatur für die PPP eingesetzt haben, nominiert worden seien.
Ja, vor zwei Wochen gab es da Probleme und Unzufriedenheiten, jetzt gibt sich die Partei allerdings sehr geschlossen. Die Leute werden die Partei unabhängig von der Kandidatenfrage wählen. Die PPP hat eine verläßliche Anhängerschaft, ob diese allerdings groß genug ist, um die Mehrheit zu erlangen, läßt sich derzeit nicht vorhersagen.
Welche Chancen hat die Muslim League, die Partei des im Mai von General Zia geschaßten Premiers Junejo?
Widersacher der PPP ist nicht allein die Muslim League. Die religiös-konservativen Parteien haben sich zu einer Islamischen Demokratischen Allianz zusammengeschlossen, der auch die Muslim League angehört. Aber die werden sicherlich nicht so gut wie die PPP abschneiden, darüber hinaus gibt es noch einige unabhängige Gruppierungen und Regionalparteien. Diesen Parteien werden mindestens 10 bis 15 Sitze zufallen.
Das heißt, es wird gerade auch in bezug auf die Islamisierung keine einschneidenden Veränderungen geben.
Nein, das darf man nicht erwarten, jedenfalls nicht so bald. Aber der springende Punkt der Wahl wird sein, ob es gelingen wird, zu einer repräsentativen Regierung zurückzukehren, oder ob Pakistan unter einem autoritären Regime im Schatten des Militärs verharren wird. Das ist das zentrale Thema der Wahlen. Denn eine schwache Regierung oder eine schwache Koalition, wird kein Fundament für eine repräsentative Demokratie liefern können, die jetzt nach elf Jahren Militärdiktatur erneut versucht, Wurzeln zu schlagen. Es ist nicht die Frage, wer gewinnt, vielmehr ist es die Frage, ob derjenige der gewinnt, dazu in der Lage sein wird, eine repräsentative parlamentarische Demokratie einzuleiten.
Wird das Übergangsregime des ehemaligen Parlamentsvorsitzenden Gholam Ishaq Khan einer vom Volk gewählten Regierung Platz machen?
Sehen Sie, unter der bestehenden Verfassung hat der Präsident die Aufgabe, den Premierminister zu ernennen, der dann durch ein Vertrauensvotum bestätigt wird. Gemäß der Verfassung von 1973 wird der Premier allerdings vom Haus gewählt, war also zwangsläufig Mehrheitskandidat. Derzeit ist es auch möglich, daß wie schon unter Zia der Premier handverlesen wird, so kam ja auch schon Herr Junejo zu Amt und Würden.
Werden sich die Ergebnisse der Wahlen auf die ethnischen Unruhen auswirken?
Keine der Parteien hat ein Programm zur Lösung der interethnischen Konflikte vorgelegt. Sollte es aber zu einem demokratischen System kommen, das diesen Gruppen eine Stimme in diesem System einräumt, besteht Hoffnung auf eine Entspannung. Der Konflikt eskalierte nicht zuletzt, weil sich viele dieser Gruppierungen vom politischen System ausgeschlossen fühlten. Bis jetzt hat aber niemand ein Lösungsangebot gemacht. Ein Demokratisierungsprozeß könnte jedenfalls einige der Spannungen absorbieren.
Lassen sich Auswirkungen des Wahlergebnisses auf die Afghanistanpolitik vorhersagen?
Afghanistan ist überhaupt kein Wahlkampfthema, da fast sechzig Prozent der Wählerschaft im Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz, leben, und dort kümmert sich eigentlich niemand um den Krieg von nebenan - so einfach ist das.
Das Gespräch führte Simone Lenz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen