Benachteiligte Rotkreuzschwestern: Schwestern, zur Sonne, zur Freiheit

Krankenschwestern in der Schwesternschaft des DRK fordern normale Arbeitsrechte – wie sie die männlichen Beschäftigten schon immer haben.

Frau trägt Plakat mit zerbrochenem Herz

Im Februar gingen Krankenschwestern auf die Straße – gegen einen geplanten Personalabbau am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Foto: dpa

HAMBURG taz | Betriebsrat Werner Lifka hat darauf bestanden: Das Gespräch mit Schwester Elisabeth (Name geändert) findet in einem abgelegenen Raum in einem Krankenhaus in Hamburg statt. Denn das Thema ist brisant: Es handelt sich um die Beschäftigungsverhältnisse der Krankenschwestern in der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Statt nach dem Betriebsverfassungsrecht richten sich ihre Rechte und Pflichten nach dem Vereinsrecht der Schwesternschaft. Dadurch werden den Frauen – und nur ihnen, denn Männer können in der Schwesternschaft Hamburg nicht Mitglied werden – verbriefte ArbeitnehmerInnenrechte wie zum Beispiel die Mitbestimmung durch einen Betriebsrat oder die Klage vorm Arbeitsgericht genommen. Wer sich dazu öffentlich äußert, dem drohen Repressalien.

Schwester Elisabeths Ausbildung liegt inzwischen mehr als 20 Jahre zurück: „Dafür musste ich in die Schwesternschaft eintreten, und deshalb durfte ich anschließend auch im selben Krankenhaus berufstätig bleiben.“ Um die juristischen Einzelheiten ihres Beschäftigungsverhältnisses hat sie sich nicht gekümmert: „Das ist vergleichbar mit einer Kirche, die einem sagt: ‚Wir sind die Guten. Ihr braucht gar nicht woanders gucken! Hier wird für Euch gesorgt!‘ “

Mitgliedschaft statt Arbeitsvertrag

Betriebsrat Werner Lifka erlebt immer wieder, dass die Rotkreuzschwestern gar nicht wissen, was sie unterschrieben haben: „Viele stellen dann fest, dass es kein Arbeitsvertrag, sondern die Mitgliedschaft in der DRK-Schwesternschaft war.“

Dass für die DRK-Schwestern Vereins- statt Arbeitsrecht gilt, sieht Klaus Bertelsmann nicht ein. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht hält die Unterscheidung schon deshalb für absurd, „weil die DRK-Schwesternschaft auch männliche Beschäftigte hat, die die gleichen Tätigkeiten verrichten – nur eben mit einem regulären Arbeitsvertrag.“

Für die Krankenschwestern gilt nur das Vereinsrecht

Die DRK-Schwesternschaft ist ein Verein, der auf eine mehr als 150-jährige Geschichte zurückblickt. Die Frauen lebten früher in einem Mutterhaus zusammen und wurden dort ausgebildet, verpflegt und bekamen ein Taschengeld.

Oberin Marion Harnisch, Vorsitzende der DRK-Schwesternschaft in Hamburg, unterstreicht die Vorzüge des Beschäftigungsverhältnisses: „Die Mitglieder haben das Recht, ihre eigene Vorgesetzte zu wählen. Das heißt: Sie bestimmen, ob sie mit dem eingeschlagenen Weg, den ich in den letzten zweieinhalb Jahren gegangen bin, einverstanden sind. Sie haben auch die Möglichkeit, ihn abzulehnen.“

Betriebsrat vs. Beirat

Wenn es um die Mitbestimmung geht, vergleicht Betriebsrat Werner Lifka lieber die Rechte des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz einerseits und die Rechte des Beirats der Schwesternschaft nach der Vereinssatzung andererseits – es gäbe da nämlich ganz klare Unterschiede: „Ich kann als Betriebsrat zugunsten der Beschäftigten Initiativen ergreifen, entsprechend der Paragrafen des Betriebsverfassungsgesetzes, während der Beirat der DRK-Schwesternschaft eigentlich nur beratende Funktion hat.“

Und auch beim Thema „Kündigungsschutz“ gebe es Abweichungen: Ein Normalangestellter erhält ihn – nach dem Kündigungsschutzgesetz – schon nach einem halben Jahr, die Rotkreuzschwester erst nach einem ganzen Jahr. Aus der Satzung ergäbe sich auch nicht eindeutig, meint Betriebsrat Lifka, ob der Verein seine Krankenschwestern immer beschäftigen müsse oder ob er sie auch ohne Bezahlung freistellen könne.

Arbeitsrechtsanwalt Klaus Bertelsmann weist darauf hin, dass das Satzungsrecht auch schon während der Ausbildung der angehenden Rotkreuzschwestern negative Auswirkungen habe – zum Beispiel bei der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach dem Betriebsverfassungsgesetz: Nur junge Männer könnten sie wählen. Und das habe weitere Konsequenzen: „Wer in der Jugendauszubildendenvertretung ist, hat Anspruch auf Übernahme ins Arbeitsverhältnis. Den haben die jungen Frauen nicht.“

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) geht davon aus, dass es sich aber nicht um ein Gleichbehandlungsproblem von Männern und Frauen handelt. Die Weichen würden schon im Vorfeld gestellt: Die einen seien Arbeitnehmer, die anderen Mitglieder. Und für Mitglieder, zufällig ausschließlich Frauen, seien die Arbeitsgerichte nun mal nicht zuständig.

Schwester Elisabeth hat die Eigeninitiative ergriffen, nachdem man sie mit Sonderaufgaben im Krankenhaus betraut, aber nicht entsprechend entlohnt hatte. Sie ist bei der Gewerkschaft Verdi eingetreten, was nicht gern gesehen wurde – und hat erfolgreich eine Gehaltserhöhung eingeklagt.

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