Bekenntnisse einer Reisebloggerin: Die Reisekrise
Das Gefühl, schon einmal dort gewesen zu sein, stellt sich schon nach wenigen Minuten ein. Bukarest ist wie Paris, Lwiw wie Wien.
Ich reise nicht mehr gern. Für jemanden, der einen Reiseblog hat, ist das eine traurige Entdeckung. Sie kündigte sich an wie das Ende einer langen Liebe – Wochen bevor die Reise losgehen sollte. Die Lust war weg. Sie kam nicht, als ich den Reiseführer über Moldawien las („ein liebenswerter kleiner Staat im Osten Europas“), und auch nicht, als ich mich probeweise auf Google Maps an die Ukraine heranzoomte. Städte, erst ganz nah beieinander, rückten voneinander weg, dazwischen zogen sich gelbe Straßen auf, die ich entlangfahren würde. Eine Vorstellung, die mich elektrisiert, normalerweise.
Auf der Reise habe ich nachgedacht. Im Nachtzug von Berlin nach Budapest und von Bukarest nach Chișinău. In Maxi-Taxis – ausrangierten VW-Sprintern mit mehr als 20 Sitzen – entlang der gelben Straßen, die ich mir angesehen hatte. Von Chișinău über Czernowitz und weiter nach Ternopil und Lwiw. Beim Fahren lässt es sich gut nachdenken, besonders nachts. Und ich glaube, es liegt daran: Ich habe das alles schon gesehen.
Bei Menschen geht es mir genauso
Damit meine ich nicht Landschaften, die ich auswendig kenne, wie Siebenbürgen. Ich meine Orte, an denen ich noch nie war. Das Gefühl, schon einmal dort gewesen zu sein, stellt sich schon nach wenigen Minuten ein. Ich weiß nicht, wann das wie anfing. Dass Bukarest wie Paris war, Lwiw wie Wien, Chișinău wie Kaliningrad. Oder Warschau wie Eisenhüttenstadt, an manchen Stellen, wirklich!
Reiseführer prahlen mit solchen Vergleichen, aber im Grunde sind sie der Albtraum jeden Entdeckers. Sie sind natürlich auch eine Folge des Reisens. Aber es fällt mir nicht nur beim Reisen auf. Bei Menschen geht es mir genauso. Und bei vielen anderen Dingen. Der gelbe Rock, den ich mir letzte Woche gekauft habe, ist wie der, den ich als Teenager hatte. Das Lied im Radio, das neue von hm hm hm, klingt wie der Hit damals von mh mh mh. Wie er heißt, fällt mir typischerweise nie ein, aber ich weiß: Ich habe ihn schon gehört.
Es gibt von allen Dingen und Wesen nur eine endliche Zahl von Grundtypen. Wie die Primärfarben. Sie treten in verschiedenen Mischungen und Schattierungen auf, aber sie lassen sich auf eine Grundfarbe zurückführen. Bei Männern fiel mir das schon lange auf. Ein bestimmter Typ, sagt man da. Und so ist es auch bei Städten. Die mittelalterliche Stadt, die sozialistische, die moderne Stadt. Das Grundmuster ist immer ähnlich. Eine ziemlich müde Erkenntnis bei einem Cappuccino auf dem außergewöhnlich hübschen Marktplatz von Przemyśl. Nach acht Jahren des Reisens finde ich: I have seen it all.
Guter Rat
Ein schwer zu widerlegendes Ü-40-Gefühl und vielleicht Symptom einer Mid-Travel-Crisis. Eine Bekannte gab mir folgenden Rat: Es bliebe noch die Reise ins Innere, das sei überhaupt die spannendste Reise. Ich weiß nicht so recht. Vielleicht fahre ich dann doch lieber nach Brandenburg.
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