Bekennerschreiben von Atomgegnern: Sabotage an S-Bahn
Militante Atomgegner wollen hinter Kabelbrand in S-Bahn stecken. Störungen sollen bis Mittwoch behoben sein.
![](https://taz.de/picture/291973/14/S-bahnfeuerRTR.jpg)
Offenbar stecken militante Anti-Atom-Aktivisten hinter dem Kabelbrand, der seit Montag Teile der Berliner S-Bahn lahmgelegt hat. Die taz erhielt am Dienstag das Bekennerschreiben eines "kommando sébastien briard", das sich selbst eines Brandanschlags auf die Bahn bezichtigt. Die Polizei geht davon aus, dass das Schreiben authentisch ist. Der Staatsschutz ermittle wegen einer politisch motivierten Brandstiftung, so eine Polizeisprecherin.
"Wir haben in der Nacht auf den 1. November 2010 ein Kabel der Deutschen Bahn in Berlin in Flammen gesetzt", heißt es in dem Bekennerschreiben. "Der flächendeckende Ausfall des Unternehmens Deutsche Bahn war geplant und sollte zeigen, dass die Profiteure der Atommafia kein ruhiges Hinterland haben." Die Gruppe bezieht sich auf die Castor-Transporte vom französischen La Hague ins Wendland am Wochenende und auf die Verlängerung der AKW-Laufzeiten durch die Bundesregierung. Verantwortung übernimmt man auch für einen Brandanschlag auf ein "Siemens-Fahrzeug" in Schöneberg in der gleichen Nacht, laut Polizei ein Kleintransporter. Die Gruppe kündigt weitere Proteste an: "Auch nach dem Castor werden wir der Industrie und den Verantwortlichen einheizen."
Wer hinter der Gruppe steckt, ist unklar. Offenbar bezieht sie sich aber auf den französischen Atomgegner Sébastian Briat. Der 22-Jährige wurde 2004 bei Anti-Atom-Aktionen von einem Castor-Zug im französischen Avricourt erfasst und tödlich verletzt. In Berlin gerät die Bahn nicht zum ersten Mal ins Visier militanter AKW-Gegner. Den vor allem 2009 grassierenden Autobrandstiftungen fielen auch Bahnfahrzeuge zum Opfer. In Bekennerschreiben wurde das Unternehmen als "Handlanger der Atomlobby" benannt.
Die jetzige Brandstiftung war in der Nacht zu Montag zwischen den S-Bahnhöfen Sonnenallee und Neukölln erfolgt und hatte einen Kabelschacht auf einer Länge von über 100 Metern beschädigt, darunter auch Telefonkabel der Bahn. Dies hatte zu vielfachen Einschränkungen des S-Bahn-Betriebs geführt. Ein S-Bahn-Sprecher sprach von einem "großen Schaden" durch den Anschlag, der noch nicht zu beziffern sei. Zu dem Bekennerschreiben wollte er sich nicht äußern. "Wir überlassen die Ermittlungen der Polizei.
In der Berliner Anti-Atom-Szene wird der Anschlag kontrovers diskutiert. Als "kontraproduktiv" bezeichnet eine Aktivistin die Aktion, da nun der Widerstand im Wendland eine Kriminalisierung erfahren werde. Willi vom Anti-Atom-Plenum sieht den Anschlag dagegen als "nachvollziehbaren Ausdruck einer gehörigen Portion Wut und Frust" gegenüber der Atompolitik und
-lobby. Für die Anti-Castor-Aktionen am Wochenende im Wendland hätte die Polizei unabhängig davon "Mittel und Vorwand für Repression gefunden".
Die S-Bahn war weiter mit der Reparatur des Kabelschachts beschäftigt. Die Ringbahnlinien pendelten nur alle 15 Minuten zwischen Neukölln und Treptower Park. Auf der S 46 und S 47 fuhren Ersatzbusse. Laut S-Bahn soll die Ringbahn ab Mittwochmorgen wieder in Betrieb gehen. Der Abschnitt Neukölln-Baumschulenweg wird dagegen weiter über Treptower Park umfahren.
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