: Bekennender Kiffer abgeschmettert
■ Ein Bayer in Berlin: Der Liedermacher Hans Söllner wollte vor dem Verwaltungsgericht den Anbau von zehn Cannabispflanzen einklagen. Gericht folgt widerwillig dem Gesetz
Hans Söllner ist Liedermacher und Geschichtenerzähler. Daß auch nördlich des Weißwurstäquators das Leben die besten Geschichten schreibt, hat der Bayer gestern vor dem Berliner Verwaltungsgericht erfahren. Rastalocken, schwarzrotgelbgrüne Farbenpracht und bayerische Mundart auf der einen, schwarze Robe, korrekt gezogener Scheitel und Juristendeutsch auf der anderen Seite – die Gegensätze zwischen Lieder- und Urteilsmacher waren erfrischend hör- und sichtbar.
Doch der 40jährige Liedermacher war nicht der Angeklagte. Söllner, bekennender Kiffer und zumindest in Bayern populärer Liedermacher, der schon des öfteren wegen angeblich beleidigender Texte vor dem Kadi stand, trat als Kläger auf. Der Beklagte: die Bundesrepublik Deutschland. Weil die bayerischen Behörden ihm keine Sondererlaubnis für den Anbau von Cannabispflanzen erteilen wollen, zog er vor das Verwaltungsgericht. Das Begehren des Antialkoholikers und Veganers: Er will zehn Cannabispflanzen in seinem Garten in Bayern ziehen, wo die erlaubte Marihuanamenge bei maximal sechs Gramm liegt. Um seine „religiösen Rituale streng legal“ befolgen zu können, brauche er das „heilige Kraut für Rastas“: „Ohne den Anbau wird mir mein Glaube verboten“, sagte Söllner, „ohne meinen Glauben habe ich keine Ziele.“
Richter Blömeke und der Kläger lieferten sich einen unterhaltsamen Gedankenaustausch über Betäubungsmittelgesetz, Religionsfreiheit und Schädlinge von Cannabispflanzen (Blömeke: „Werden die Schnecken dann schneller?“). Blömeke gestand dem Sänger zu, daß die persönliche Handlungsfreiheit nicht eingeschränkt werden dürfe. Doch „immanente Schranken im Grundgesetz“ ließen das Ausleben einer Religion auf Kosten anderer nicht zu. Obwohl Blömeke eine sympathische Neugierde für den Rastaglauben zeigte und Söllners Argumentation „ganz plausibel“ fand, mußte er auf den Gesetzgeber verweisen. Seine Worte „Wir müssen mit dem Gesetz arbeiten“ klangen wie eine Entschuldigung.
„Vielleicht würde Ihnen ja der eine oder andere gern helfen“, sagte Blömeke schließlich. „Genau deshalb bin ich hier“, entgegnete Söllner, „weil ich Hilfe brauche, um meine Religion auszuleben.“ Richter Blömeke reichte den juristischen Joint an die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, zwei Mitarbeiter des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, weiter und fragte sie: „Können Sie ihm helfen?“ Der eine, ein Pharmazeut, wollte nicht mal ziehen, ohne zu inhalieren. „Ich wüßte nicht, wie“, sagte er trocken. Der andere, ein Assessor, machte es sich wahrlich nicht leicht. „Ich bin in der mißlichen Situation, etwas vertreten zu müssen, womit ich nicht konform gehe“, sagte der Jurist mit den zwei Seelen in der Brust. Doch das „einfache formale Recht“ lasse keinen Anbau für Privatleute zu.
All die schönen Gedanken aus Richter Blömekes unvernebeltem Gehirn – im Falle einer Prohibition in Deutschland würde auch niemand auf die Idee kommen, beim Ritual des Kirchenmahls auf den Wein zu verzichten – blieben letztlich doch nur schöne Kifferphantasien. Das Gericht wies die Klage ab. Der „klare Gesetzestext“ lasse keine andere Entscheidung zu. Barbara Bollwahn
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