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Behutsame AnnäherungTürkei reicht Armenien die Hand

Vier Intellektuelle rufen ihre Landsleute dazu auf, sich beim Nachbarn für den Genozid im Jahre 1915 zu entschuldigen. Dies dürfte die Enttabuisierung des Themas befördern.

Der türkische Präsident Abdullah Gül (l) besuchte im September 2008 erstmals seinen armenischen Amtskollegen Sergei Sarkisian (r) in Jerewan. Bild: dpa

ISTANBUL taz Was der türkische Staat den Opfern und den Nachfahren der 1915 im Osmanischen Reich massakrierten und vertriebenen Armeniern immer noch verweigert, will eine Gruppe von Intellektuellen jetzt jedem türkischen Staatsbürger persönlich ermöglichen: sich bei seinen armenischen Mitbürgern und den Armeniern weltweit öffentlich zu entschuldigen und um Verzeihung zu bitten.

Unter dem Titel "Ich bitte um Verzeihung" haben sie eine Website vorbereitet, die ab Neujahr ins Netz gestellt werden soll und folgenden Aufruf enthält: "Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass man der großen Katastrophe, die 1915 den osmanischen Armeniern widerfuhr, bisher so teilnahmslos gegenüberstand, ja dass diese gar geleugnet wird. Ich lehne diese Ungerechtigkeit ab und teile die Gefühle und das Leid meiner armenischen Mitmenschen und bitte sie um Verzeihung."

Initiiert haben diesen Aufruf vier Intellektuelle - die Professoren Baskin Oran, Ahmet Insel, Cengiz Aktar und der Journalist Ali Bayramoglu. Um der zu erwartenden Empörung der Nationalisten etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen, erklärte Ahmet Insel: "Unabhängig von der offiziellen Politik haben wir als türkische Bürger das Recht, unsere Meinung über unsere eigene Geschichte kundzutun. Wir hoffen, dass die Kampagne nicht für andere politische Zwecke missbraucht wird." Cengiz Aktar ergänzte: "Uns geht es um die individuelle Stimme. Wer will, entschuldigt sich, wer nicht, nicht."

Doch auch der Hinweis auf den individuellen Charakter dieser bislang einmaligen Aktion in der türkischen Republikgeschichte, schützte die Verfasser nicht vor der Wut der Nationalisten. Devlet Bahceli, Chef der rechtsextremen MHP, formulierte erneut deren Position: "Wir Türken brauchen uns für nichts zu entschuldigen, im Gegenteil, die Armenier haben damals ihre türkischen Mitbürger massakriert und später türkische Diplomaten weltweit getötet."

Doch trotz der prompten Reaktion Bahcelis ist diese seit Jahrzehnten propagierte Position der Selbstgerechtigkeit in der Defensive. Der Aufruf der Intellektuellen ist keine singuläre Aktion, sondern Teil einer Debatte, in der seit Jahren die Tabuisierung des Genozids an den Armeniern aufgeweicht wird. Das begann mit Publikationen, die die offizielle Lesart korrigierten, führte über eine große innertürkische Historikerdebatte, in der auch Kritiker der offiziellen Doktrin zu Wort kamen, bis zum Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Abdullah Gül in Jerewan vor zwei Monaten. Selbst der Mord an Hrant Dink im Januar 2007, dem bekanntesten armenischen Publizisten in der Türkei, konnte den Prozess nicht stoppen.

Die neue Kampagne wird diese Entwicklung beschleunigen. "Viele Türken wissen tatsächlich nicht, was mit den Armeniern 1915 passierte. Wir hoffen, dass unsere Kampagne dazu führt, dass auch Jugendlichen mehr nachfragen", sagte der Mitinitiator der Aktion, Baskin Oran.

Der Moment für die Aktion ist politisch gut ausgewählt. Wohl erstmals, seit aus der Konkursmasse der Sowjetunion 1991 der Staat Armenien hervorging, sind die türkische und die armenische Regierung ernsthaft interessiert, die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu normalisieren, Botschafter auszutauschen und die noch geschlossene Grenze zu öffnen. Dafür ist Armenien bereit, die Anerkennung des Völkermordes nicht mehr zur Voraussetzung zu machen und eventuell, wie von Ankara gefordert, in einer gemeinsamen Historikerkommission mitzuarbeiten. Die Türkei ist gewillt, ihren Alliierten Aserbaidschan zu einem Kompromiss über die von Armenien beanspruchte und besetzte aserbaidschanische Region Berg-Karabach zu drängen.

Im Frühjahr wird der armenische Präsident Sergei Sarkisian zu einem Gegenbesuch in Ankara erwartet, bei dem vielleicht erste konkrete Vereinbarungen getroffen werden.

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9 Kommentare

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  • L
    liberal_turk

    jahrzehntelang haben nationalisten/ kemalisten vorgeschrieben, was man zu sagen hat: dass wir armeniern nichts angetan hätten. wer eine andere meinung hat, soll schweigen. und wenn nicht, dann soll er dafür büßen. eine verleugnungspolitik, die in der tat erfolgreich wurde. denn selbst gutmütige türken glauben ernsthaft daran, es sei damals nichts außergewöhnliches geschehen.

     

    noch schlimmer ist die tatsache, dass es türken gibt, die ernsthaft behaupten, dass armenier versucht hätten, uns türken zu vernichten! wie hätte das bitteschön funktionieren sollen? wie kann eine minderheit die mehrheit vernichten?!

     

    aber es reicht! ich kann einfach nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre. das kann ich mit meinem gewissen nicht vereinbaren. wirklich nicht.

     

    früher haben so viele armenier in anatolien gelebt. wo sind sie jetzt hin? was ist aus ihnen geworden, wenn man ihnen nichts angetan hat?

     

    ich habe heute an dieser aktion teilgenommen. ja, ich entschuldige mich bei armeniern! ich fühle mich wohl und mein gewissen ist erleichtert. es ist mir egal, was nationalisten denken. aber mir hat niemand vorzuschreiben, was ich denken soll ,was ich tun soll oder nicht!

     

    ich bedanke mich bei denjenigen, die den mut hatten, diese aktion zu starten. turkish-armenian friendship forever.

  • A
    atasan

    ich finde die Türkei müsste almählich aufhören sich bei jeden zu entschuldigen Türkei braucht weder EU oder sonst was, wenn die Türkei sich mit seinen brüdern verbünden würder ,würde die Türkei wahrscheinlich Wirtschaftlich so stark das Europa und die andren von alleine zu Türkei kommen würden um die gemeinscheft aufgenommen zur werden, wenn mann geld hat spielt religion und kultur keine Rolle beispiel Dubei

  • L
    lina

    Zur Frage: "Völkermord oder nicht?",lest doch einfach mal die ersten 2 Seiten dieses Artikels:

     

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19959/1.html

     

    P.S. an Murat:

     

    Geht es hier um eine europäische Kampagne zur Diskredition der Türken? Nein.

    Der Titel des Artikels lautet: "Türkei reicht Armenien die Hand" nicht "Europa reicht Armenien die Hand".

    Nur damit wir hier nichts vermischen!

  • N
    NeutralerNorweger

    Armenien lügt!warum?

     

    Ganz einfach beweisse fehlen!

     

    Armenien wurde von Russland zerstört und nicht von der Türkei!Was meint ihr warum Armenien Total arm ist?

  • U
    umut

    Davo,

     

    meinst du die tatsächliche Geschichte in dem die Armenier von den Imperialen Mächten ausgenutzt und anschließend fallen gelassen werden oder die Geschichte, die die Armenier geschrieben haben, um den Türken ein Genozid vor zu werfen???

  • E
    Emil

    Wir erwarten auch eine Entschuldigung und eine Wiedergutmachung für das Genozid an unserem Volk in Xodschali von den Armeiniern siehe:"Massaker von Xocalı" bei Google oder Wikepedia

  • D
    Davo

    Lies mal was von Geschichte @ murat!

  • M
    murat

    Liebe Armenier, bzw Europaeer die diese Taten fuer ihre Zwecke missbrauchen um mich Tuerken zu diskreditieren:

    Hiermit entschuldige ich mich fuer meine Existenz. Als Tuerke ist es mir eigentlich nicht erlaubt zu leben. Deswegen werden auch alle Kriege, in denen auch meine Grosseltern gekaempft und gestorben sind als Voelkermord _von_ ihnen dargestellt. Dadurch werde nicht nur ich beleidigt, auch erreichen einige, vor allem deutsche Hobbyhistoriker dass einige Taten die ihre Grosseltern getaetigt haben relativiert werden, und im Vergleich nicht mehr so signifikant aussehen.

    Als Deutscher wuerde wohl auch ich nicht anders halten: erstens gibt es einen weiteren Grund die Moslems aus der EU zu halten, zweitens verschoenert man die eigene Geschichte.

  • U
    umut

    Hier mal die Reportage mit Prof. Dr. Baskın Oran aus einer türkischen Zeitung (mit meinen Worten übersetzt). Was einer der 4 Initiatoren gesagt hat:

     

    Prof. Dr. Baskın Oran:

    Was zu Diskussion steht sind nicht die Umsiedlungen, der Genozid

     

    es lebten in Anatolien 1,8 milyonen Armenier. Heute sind es 60 tausend. Diese Menschen haben sich sicher nicht in Luft aufgelöst. Demnach wurde hier ein großes Unglück erlebt. Das steht nicht zur Diskussion. Dieses kann keiner leugnen. Das, was in dieser Sache zu klären ist, ist ob es sich um ein Genozid handelt oder nicht?

    Keiner von uns vieren benutzt das Wort Genozid. Weil "Genozid" ein juristischer Ausdruck ist. Doch die Armenier benutzen es politisch. Zweitens, ist die Bedeutung des Wortes "Genozid" in Europa anders, in der Türkei anders. In der Türkei wird Genozid nur in Zusammenhang mit dem jüdischen Genozid verwendet. Um diese Ereignissen Genozid zu nennen, bin ich der Meinung das es wissenschaftlich und politisch falsch wäre. Zur Diskussion steht dies, nichts anderes. Das 1 Million 750 tausend Armenier nicht mehr da sind, wie erklären wir das. Die Diskussion ist nicht dieser Punkt. Die Diskussion ist das Wort Genozid.

     

    Die Aussage "Um diese Ereignisse Genozid zu nennen, bin ich der Meinung, das es wissenschaftlich und politisch falsch wäre." sagt ja wohl einiges aus oder nicht!

     

    Ich hätte, ehrlich gesagt, von der "taz" eine bessere Recherche erwartet bevor so ein Artikel gedruckt wird!