Behring Breivik mag Lacoste: Der Teufel trägt Kroko
Lacoste ist Anders Behring Breiviks "favourite clothing brand". Geht das Modelabel jetzt den Bach runter? Gegen die Vereinnahmung durch den Attentäter hilft nur Thomas Mann.
BERLIN taz | Fred Perry hat das Problem - und Lonsdale sowieso: Markenkapern durch Neonazis. Aber Lacoste? "Was lacostet die Welt, Geld spielt keine Rolex, da kann ich Chanel neues besorgen" - so ging der schlimme Humor der 1980er. Lacosteträger galten als fiese Popper, als fette JU-Funktionäre, als dumme Societyhäschen.
Nun aber ist die Vereinnahmung für das Krokolabel Manifest geworden: In seinem gruslig-spätpubertären Copy-and-Paste-Konvolut erklärt Anders Behring Breivik nicht nur der offenen Gesellschaft den Krieg, sondern auch, auf Seite 1.406, Lacoste zu seiner "favourite clothing brand". Im roten Krokodil-Pullover wurde er im Polizeiwagen durch Oslo gefahren.
Ist Breivik also ein erträumter Wiedergänger der dummdreisten Schickeria à la Rainhard Fendrich ("Finanzielle Probleme lacosten uns nur einen Husta")? So einfach ist es leider nicht. Denn - andere Meinungen werden hier nicht berücksichtigt - ein Lacoste-Polo ist für den Mann ab 40 ein sehr praktisches, angenehm zu tragendes und eben bisher feindlicher Übernahme abhold gewesenes Kleidungsstück, gerade bei innerer oder äußerer Hitze - wie ja auch vom Schöpfer und Tennischamp Rene Lacoste geplant, als er 1933 in die Massenproduktion seiner Erfindung einstieg.
1933? Ja, genau. Das Lacoste-Hemd kann durchaus als zivilgesellschaftliche Alternative zum Ledermäntel-, -hosen- und Uniformwahn der Nazis betrachtet werden, so wie es heute gut für offizielle Termine taugt als Gegenentwurf zum maßgeschneiderten Körperpanzer der Master-of the-Universe-Banker und -Rater. Und was macht Lacoste? Das einzig Richtige. Die Pressestelle drückt das tiefe Mitgefühl für die Mitarbeiter in Norwegen sowie für die Opfer und deren Familien aus. "We do not have other comments."
Aber was sollen wir Lacosteträger machen? "That man is my brother": Unter diesem Titel erschien im März 1939 ein Aufsatz Thomas Manns, der Hitler als zwar verkrachten, aber doch als Künstler analysierte, eben als - im Original - "Bruder Hitler". "Es ist eine reichlich peinliche Verwandtschaft", heißt es dort. "Ich will trotzdem die Augen nicht davor schließen …"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben