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Behandlung von Menschen mit BehinderungBremer Zentrum macht dicht

Trotz der Vorwarnungen: Das Bremer Zentrum, an dem Erwachsene mit geistigen oder schweren Mehrfachbehinderungen behandelt wurden, hat dichtgemacht.

Schon lange demonstrieren Menschen für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Foto: Hannibal Hanschke/dpa

Bremen taz | Nur gut ein Jahr war es geöffnet, nun hat es wegen Personalmangels dichtgemacht und steht mindestens vorübergehend keinen Pa­ti­en­t*in­nen zur Verfügung: das Medizinische Behandlungszentrum für Erwachsene mit geistigen und/oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) in Bremen. Für die Betroffenen bedeutet das, vorerst keinen Ort mehr zu haben, an dem sie vor Ort oder in ihrem Zuhause über einen längeren Zeitraum beraten und behandelt werden – mit mehr Zeit und Expertise als in der normalen Versorgung.

Anfang des Monats hatte der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen beschlossen, das MZEB zu schließen, sagt ein Sprecher der taz. Es gebe außerdem Gespräche, ob und wann das MZEB wieder öffnen könnte. Eigentlich wäre die sogenannte Ermächtigung für den Betrieb bis 2025 gelaufen.

Das Zentrum ist am Klinikum Mitte angesiedelt, einem Haus des städtischen Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno). Sprecherin Karen Matiszick nennt als Grund für die Entscheidung des Ausschusses, dass die ärztliche Leitung des Zentrums nach wie vor fehle. Diese ist seit ein paar Monaten krank. „Erst im Juli können wir die Stelle wieder voll besetzen“, sagt sie.

Einen Nachfolger gebe es, aber eben erst ab dann. Aus Geno-Sicht sei es „feste Absicht“, dann wieder ganz normal zu öffnen. Dies habe man auch mit dem Zulassungsausschuss vereinbart. Sechs weitere Angestellte arbeiteten am MZEB, das zuletzt 44 Pa­ti­en­t*in­nen behandelt hat.

Landesbehindertenbeauftragter übt schwere Kritik

Der Martinsclub betreut in Bremen Menschen mit Behinderung. Nico Oppel arbeitet dort als Fachleitung Wohnen. Das mit dem MZEB „etwas im Argen ist“, habe er bereits bemerkt. Schon vor Wochen hatten sich Landesbehindertenbeauftragter und Träger über lange Wartezeiten beschwert. Dass das MZEB jetzt dicht macht, sei ein „Schlag ins Gesicht“, sagt Oppel. Die Versorgung, gerade für Menschen mit komplexen Hilfebedarfen, für die man Zeit benötigt, sei ohnehin schwierig.

Das MZEB „war ein guter Ort, für unsere Klientel und Mitarbeitende“, sagt Oppel. Letztere müssten für die Pa­ti­en­t*in­nen schließlich Termine vereinbaren und diese dann „von Arzt zu Arzt begleiten, bis jemand eine Aussage treffen kann“. Im MZEB mit seinem multiprofessionellen Ansatz habe man in Ruhe geschaut, wo das Problem liegen könnte – entlastend, auch für die Betreuenden.

Für einen seiner Klienten habe Oppel schon ewig einen Arzt gesucht. Schon bei Blutabnahmen habe dieser sich gewehrt. „Ein Kollege hat sich mal vor ihm Blut abnehmen lassen, um zu zeigen, dass es nicht so schlimm ist.“ Im MZEB habe der Klient dann plötzlich eine Untersuchung zugelassen und sogar selber einen zweiten Termin eingefordert. „Das ist jetzt extrem frustrierend. Da motiviert man jemanden, und jetzt gibt es das Angebot nicht mehr“.

Als „schweres Versäumnis“ und „Verstoß gegen geltendes Recht“ bezeichnet der Landesbehindertenbeauftragte Arne Frankenstein die Schließung. Er selbst habe bereits mehrfach auf Verbesserungen gedrängt. Zum Beispiel sei die Kooperation innerhalb des Klinikums Mitte mit anderen Abteilungen nicht ausreichend. Der Standort müsse nun zumindest geprüft werden, fordert Frankenstein. Auch, weil viele Pa­ti­en­t*in­nen des MZEB „erhebliche psychiatrische Diagnosen“ haben. Die Politik müsse zudem die Mittel für ein besseres Konzept bereitstellen.

Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) „schmerzt das Aus für das MZEB sehr“. Sie habe in den vergangenen Tagen bereits mit vielen Beteiligten gesprochen. „Bis spätestens zum Sommer muss gemeinsam mit diesen Beteiligten das bisherige Konzept überarbeitet werden. Die Einrichtung des MZEBs muss nachhaltig gewährleistet sein.“

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