Begrenzte Aufregung um Islam-Film: Wilders angstschürende Collage
Die befürchteten heftigen Reaktionen auf Wilders Anti-Islam-Film blieben bislang aus. Im Gegenteil: Die muslimischen Vereine nutzten den Anlass zum Dialog mit Nicht-Muslimen.
ARNHEIM taz Seit Donnerstagabend ist der knapp 17-minütige Antikoran-Film des niederländischen Parlamentsabgeordneten Geert Wilders im Internet zu sehen. Bis Freitagnachmittag zählte die Seite 3,2 Millionen Klicks.
Zuvor war befürchtet worden, Wilders könne stark provozieren und heftige Reaktionen der Muslime im In- und Ausland auslösen. "Fitna" zeigt nun weitgehend Bekanntes und wird als relativ mild eingeschätzt.
Der Film ist ein wüster Verschnitt von Nachrichtenbildern und Videos aus dem Internet. Der Abgeordnete der Partei für Freiheit (PVV) hat sie zu einer angstschürenden Collage montiert. Kurze Koranzitate, in denen es um Gewalt gegen Andersgläubige geht, und Aufnahmen von Islamisten, die zur Gewalt aufrufen, sind mit den bekannten grausamen Bildern der Anschläge auf das World Trade Center verschnitten. Hinzu kommen Sequenzen zu den Terroranschlägen in Madrid und London sowie von der Enthauptung der Geisel Nicolas Berg im Irak. Eingespielt sind darüber hinaus die Stimme einer Frau in Todesangst in den Twin Towers und der Todeslaut von Berg.
In den letzten fünf Minuten geht es um die "Zukunft der Niederlande". Zeitungsschlagzeilen zu Ehrenmorden, zu Angriffen gegen Homosexuelle, zum Dschihad gegen Wilders kombiniert der Filmemacher mit Bildern einer geköpften Frau, mit der Erschießung einer Afghanin, mit erhängten Homosexuellen. Steigende Einwohnerzahlen niederländischer Muslime erscheinen und eine Grußpostkarte, auf der Moscheen abgebildet sind. Wilders hat die Bilder und Zitate so miteinander verschränkt, dass sie seine Meinung, der Koran rufe zur Gewalt auf, eindrucksvoll verdeutlichen. Er suggeriert damit, die terroristischen Anschläge seien aus dem Koran abgeleitet.
Wilders sagte, er sei "glücklich", dass der Film veröffentlicht sei, und kündigte an, nun ins Land zu gehen, um mit Muslimen zu diskutieren. Bislang hatte er den Dialog abgelehnt.
In englischer und niederländischer Sprache sagte Ministerpräsident Jan Peter Balkenende im Fernsehen, seine Regierung bedauere die Veröffentlichung von "Fitna". Darin werde der Islam mit dem Ausüben von Gewalttaten gleichgesetzt. Die Mehrheit der Muslime verurteile Extremismus und Gewalt; die Opfer der Dschihadisten seien oft auch Muslime.
"Als ob wir Muslime hier die Scharia einführen wollten", empörte sich Fouad Sidali, der Vorsitzende des Verbandes marokkanischer Organisationen. Dies sei "abstoßend und unakzeptabel". Insgesamt aber haben die muslimischen Organisationen "aufgeatmet". Die Sorgen, die sie für das Zusammenleben hatten, seien nun beträchtlich vermindert, hieß es in der Zeitung De Volkskrant. Die Nacht verlief ruhig, und am Freitag luden die Moscheen im Land alle nichtmuslimischen Niederländer ein - eine Maßnahme, die sie zuvor für den Tag der Veröffentlichung des Films beschlossen hatten.
Bereits seit der Ankündigung des Films im November 2007 hat Wilders für Diskussionen, Spekulationen und Unruhe gesorgt, denn er hielt den Inhalt geheim. In der Debatte wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung der Verantwortung für die Sicherheit der Bürger gegenübergestellt. Und ein neuer islamkritischer Film erinnert die Niederländer selbstverständlich auch daran, dass der Regisseur Theo van Gogh im Jahr 2004 von einem Fundamentalisten ermordet wurde.
"Fitna" beginnt und schließt mit der Karikatur des dänischen Zeichners Kurt Westergaard, die den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban zeigt. Kurt Westergaard meldete sich umgehend. Seine Karikatur sei aus dem Zusammenhang gerissen und das Urheberrecht sei verletzt. Dagegen wolle er rechtliche Schritte einleiten, hieß es im dänischen Rundfunk.
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