Beginn der Glühweinsaison: Kopfweh vorherbestimmt
Klebrig, knallend und besser als sein Ruf: Ab nächster Woche gibts wieder warmen Wein mit Gewürz. Und in Trier wird dazu die erste Deutsche Glühweinkönigin gekürt.
Es weihnachtet. In den Supermärkten dank reichlichem Angebot an Spekulatius, Christstollen und Schokoweihnachtsmännern schon seit September. Aber jetzt wirds richtig ernst: Die Weihnachtsmärkte eröffnen. Den Startschuss geben am Montag die Berliner. Nürnberg, München und alle kleineren Stätten vorweihnachtlichen Handels verwandeln bald darauf ihre Marktplätze in idyllische Holzbudenlandschaften. Bis zum Heiligen Abend frohlockt dann überall in Deutschland aus knacksenden Lautsprechern "Jingle Bells" und "Fröhöliche Weihnacht", die Innenstädte füllen sich mit Menschenmassen auf der Suche nach buntem Weihnachtsbaumschmuck, Holzspielzeug und Lammfellhausschuhen.
Doch was wären die Weihnachtsmärkte ohne Glühwein? Schon im Mittelalter haben die Menschen auf der Suche nach ein bisschen Wärme in der ungemütlichen Winterzeit das alkoholische Heißgetränk genossen. Es wurden ihm sogar heilende Kräfte nachgesagt. Heute trinken die Deutschen um die 40 Millionen Liter davon im Jahr, das heißt, eigentlich fast ausschließlich in den paar Monaten um Weihnachten. Ganz schön viel dafür, dass Glühwein landläufig als Ramsch angesehen wird, als Gemisch aus billigen Weinen, Unmengen an Zucker und vielleicht einer Spur weihnachtlicher Gewürze - Kopfweh vorherbestimmt. Doch das soll sich jetzt ändern.
Der Text ist aus der aktuellen sonntaz vom 21/22. November - ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.
Die Veranstalter des Trierer Weihnachtsmarktes wünschen sich mehr Qualitätsweine, mehr erlesene Gewürze im Glühwein - um ihn von seinem Tetrapak-Trash-Image zu befreien. Für Thomas Vatheuer, Marketingleiter des Weihnachtsmarkts Trier, ist dieses Vorhaben eine Mission. "Wir wollen die Vorurteile gegen den Glühwein loswerden", sagt Vatheuer, "und Werbung machen für hochwertigen Glühwein, mit guten, regionalen Grundweinen." Dafür haben sich die Trierer eines klassischen Marketinggags bedient: Am 24. November küren sie die erste Deutsche Glühweinkönigin. Mit Charme, Wissen über das Heißgetränk und ein bisschen Glamour soll die 24-jährige Nadine Thome nun die Message in die Welt verkünden: Es gibt auch wirklich guten Glühwein.
Die Trierer haben sich den Titel "Deutsche Glühweinkönigin" sogar patentieren lassen. "Er soll ja nicht zu einem Halligallititel verkommen", meint Vatheuer, "der Titel soll für Qualität und regionale Produkte stehen, für eine Philosophie." Sie würden sie aber ausleihen, die Glühweinkönigin, auf andere Weihnachtsmärkte, wenn diese die Überzeugungen der Trierer teilten.
Anja Schmitt-Kraiß hat sie schon, die Überzeugungen. Sie ist Produzentin des frisch gekürten "besten deutschen Glühweins", in der Kategorie weiße Rebsorten. Die Genussfachzeitschrift Selection hat dieses Jahr erstmals zum Wettbewerb aufgerufen: Zehn Juroren haben 72 Glühweine probiert und nach Aussehen, Geruch, Geschmack und Harmonie bewertet. Schmitt-Kraiß weißer Glühwein ist eine Mischung aus Bacchus und Müller-Thurgau vom eigenen fränkischen Weingut, Qualitätswein. Der Bacchus ist für das Fruchtige im Glühwein zuständig, Müller-Thurgau für die Würze. Vier Wochen dürfen Vanille, Zimt, Nelken, Orangen und manchmal auch Kardamom im Wein ziehen, dann muss er bestehen: "Als Erstes probiert der Winzermeister den Glühwein", erzählt Schmitt-Kraiß, "dann komm ich, dann die Familie und dann die Kunden, die gerade da sind." Jeder gibt seinen Kommentar zum diesjährigen Glühwein ab, dann wird nachgewürzt, neu verkostet, noch mal nachgewürzt. Bis alle zufrieden sind. Seit zehn Jahren macht die Familie Schmitt schon Glühwein, jedes Jahr fällt er ein bisschen anders aus. Am liebsten isst Schmitt-Kraiß frisches Nussbrot oder Gewürzkuchen dazu.
Die Idee, selbst Glühwein zu machen, entstand beim Testen der Konkurrenz: "Wenn wir zu zweit oder zu dritt auf einem Weihnachtsmarkt sind, bestellen wir uns erst mal einen Glühwein gemeinsam zum Testen", erzählt die Diplomweinbetriebswirtin, "weil die oft einfach nicht schmecken." Und weil es so viel schlecht schmeckenden Glühwein gibt, dachte sie sich mit ihrem Mann, dem Winzermeister: "Das muss man doch besser machen können."
Doch es sind die kleinen Weihnachtsmärkte wie der in Trier oder der hauseigene der Familie Schmitt in Bergtheim bei Würzburg, die sich den Luxus von Winzerglühweinen leisten. Die großen, wie etwa in Nürnberg, München und Berlin, verkaufen nach wie vor den herkömmlichen Glühwein, gemischt aus verschiedenen billigen, meist italienischen Weinen und viel Zucker.
Hauptproduzent dafür ist die Firma Gerstacker in Nürnberg. Sie verkauft nach eigenen Angaben rund 80 Prozent der deutschen Glühweine. "Qualitätsweine in den Glühwein zu geben, das geht vom Preis her nicht", meint Stefanie Gerstacker, Mitgeschäftsführerin des Gerstacker Familienunternehmens. Und um regionalen Wein zu verwenden, dafür gebe es zu wenig Wein in Franken. Gerstacker mischt Rotweintrauben aus zehn verschiedenen italienischen Weinanbaugebieten in ihren Fertiggewürzwein. Die Flasche Gerstacker Christkindles Markt-Glühwein kostet 1,99 Euro und gehört damit schon zur teureren Sorte.
Und darauf kommt es an beim Glühweinkauf: Billig muss er sein. Denn was genau drin ist, merkt sowieso keiner. "Der Verbraucher ist nicht geschult im Glühweinkauf", sagt Stefanie Gerstacker, "bei einem Montepulciano achtet er darauf, woher er kommt, beim Glühwein aber nicht." Da hat sie wohl recht.
Und so trinken die Deutschen weiterhin literweise billigen Glühwein und beschweren sich am nächsten Tag über Kater. Aber wie ist das überhaupt, bekommt man von Billigglühwein wirklich mehr Kopfschmerzen?
Die Stiftung Warentest hat vor drei Jahren 25 marktbedeutende Glühweine getestet. Das Resultat: In der Kopfwehkategorie Fuselöle erhielten fast alle die Note gut. "Unsere Erfahrung zeigt, dass es nicht unbedingt einen Zusammenhang von Preis und Qualität gibt", sagt Jochen Wettach, Projektleiter des Glühweintests. "Die Qualität der Glühweine war erstaunlich gut."
Die Kopfschmerzen kommen also wohl eher vom Projekt Glühwein an sich: Warmer, hochprozentiger Alkohol, den man dank enormer Mengen Zucker kaum schmeckt, geht sofort ins Blut und macht demnach auch schnell betrunken. Auf dem Weihnachtsmarkt sollte man also genug essen, etwa Reibekuchen, zum weißen Glühwein, und zwischendurch ein Glas Wasser zu trinken hilft gegen den folgenden Kater. Auch das vermeintlich Wärmende am Glühwein ist trügerisch: So schnell unser Körper sich durch den Glühwein erwärmt, so schnell kühlt er danach wieder ab. Nach dem Glühweingenuss friert man dann stärker als vorher. Also: warm anziehen.
Auch vor Schadstoffen wie Pilzgiften und Schwermetallen, die billigen Lebensmitteln oft zugeschrieben werden, braucht bei billigen Glühweinen niemand Angst zu haben: Als bester in der Kategorie chemische Qualität befand Stiftung Warentest den Glühwein von Aldi Nord, der gerade einmal 90 Cent kostet. Also bleibt Glühweintrinken wohl doch einfach Geschmackssache.
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