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Beginn der Filmfestspiele von CannesBilder aus dem Kampfgebiet

Die 75. Filmfestspiele von Cannes haben begonnen. Bei der ersten regulären Ausgabe nach der Pandemie spielt auch der Krieg eine zentrale Rolle.

Vorhang auf: Das 75. Filmfestival in Cannes ist eröffnet Foto: Petros Giannakouris/ap

Noch staunt man ein bisschen: Ja, es geht wieder an die Croisette, und das im Mai. Vergangenes Jahr hatten die Filmfestspiele von Cannes zwar nicht wie 2020 ausfallen müssen, doch musste man sicherheitshalber auf den Juli ausweichen. Jetzt kann die Filmwelt wieder zur angestammten Zeit im Frühling zusammenkommen, ohne die Coronatests vom Vorjahr, man rät lediglich dringend zum Tragen von Masken im Inneren.

Die Pandemie scheint in Cannes fast zur Nebensache geworden. Dafür bildet sich im Programm des Festivals, dessen 75. Ausgabe heute beginnt, der Krieg Russlands gegen die Ukraine ab.

Ganz wörtlich: Die Aufnahmen des litauischen Dokumentarfilmers Mantas Kvedaravičius, die dieser in Mariupol drehte, bevor er Anfang April in russische Gefangenschaft geriet und getötet wurde, sind von seiner Partnerin Hanna Bilobrova, die ihn während der Dreharbeiten begleitete, außer Landes gebracht worden. Zusammen mit der Cutterin Dounia Sichov hat Bilobrova das Material geschnitten. „Mariupolis 2“ wurde vom Festival nachträglich ins Programm aufgenommen.

Auch aus Russland gibt es neue Bilder. Mit dem Wettbewerbsfilm „Tchaikovsky’s Wife“ des in seinem Land verurteilten russischen Regisseurs Kirill Serebrennikow hat dieser zum dritten Mal seit 2018 eine Einladung nach Cannes erhalten. Das Festival macht so zugleich ernst mit seiner Ankündigung, russische Delegationen nicht beim Festival zu empfangen, aber durchaus Künstler, die in keiner Nähe zur Regierung stehen.

Loznitsa außer Konkurrenz

Diese Haltung dürfte ebenfalls im Sinne des ukrainischen Filmemachers Sergei Loznitsa sein, der selbst mit dem Dokumentarfilm „The Natural History of Destruction“ über die Zerstörung deutscher Städte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs außer Konkurrenz zu sehen ist. Der in Deutschland lebende Loznitsa hatte sich zu Beginn des Kriegs geweigert, als Ukrainer sämtliche russischen Filmemacher zu boykottieren, und war deshalb von der Ukrai­nischen Filmakademie ausgeschlossen worden.

Mit dem Altmeister Jerzy Skolimowski ist zudem ein polnischer Regisseur im Wettbewerb vertreten. Er hat mit „Eo“, mit dem er zum sechsten Mal in Cannes für die Goldene Palme antritt, einen cineastischen Stoff gewählt, eine Neuinterpretation von Robert Bressons Klassiker „Zum Beispiel Balthasar“ (1966). Man darf sich unter anderem auf Isabelle Huppert als Hauptdarstellerin freuen.

Selbstverständlich sind weitere langjährige Gäste zu erwarten: Der Japaner Hirokazu Kore-eda gehört ebenso dazu wie der Koreaner Park Chan-wook, die Französin Claire Denis, die erst im Frühjahr auf der Berlinale zu erleben gewesen war, oder der Kanadier David Cronenberg. Und der Australier George Miller wird außer Konkurrenz sein neues Kammerspiel „A Thousand Years of Drea­ming“ mit Tilda Swinton und Idris Elba präsentieren.

Überraschungen liegen in den Nebensektionen

Das Weltkino scheint erneut mit geballten Kräften vertreten, Überraschungen dürften am meisten in den Nebensektionen zu gewärtigen sein. Wobei sich beim Festival insgesamt Veränderungen abzeichnen. Diese Ausgabe wird die letzte unter ihrem bisherigen Präsidenten ­Pierre Lescure sein, der seit 2014 im Amt war. Auf ihn folgt mit der Deutschen Iris Knobloch die erste Frau und Nichtfranzösin auf diesem Posten in der Geschichte des Festivals.

Und schon in dieser Ausgabe ist ein Kurzfilmwettwerb hinzugekommen, in Zusammenarbeit mit dem neuen offiziellen Festivalpartner Tiktok: Die Ausschreibung für die bis zu drei Minuten kurzen Arbeiten hört auf den Cannes-untypischen Namen #TikTokShortFilm.

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