: „Begegnung“versus „Entfremdung“
Mitte der 60er Jahre entschloß sich die Kunstkritikerin Carla Lonzi zu verschwinden. Sie selbst wollte möglichst unsichtbar bleiben hinter der vorgestellten Kunst. Anstatt mit gewichtigen Analysen und Einordnungen die Arbeiten zu verstellen, blieb als einzige, bescheidene Aufgabe des Feuilletonjournalisten über, die Künstler zum Sprechen zu bringen. In Interwiews gab Lonzi ihnen die Macht der Kommentierung zurück. Nicht zu Erklärungen ermunterte sie die Künstler, eher zu Erzählungen, zum Beispiel über den Ausstellungsbetrieb, oder einfach die Gefühle/Gedanken vor dem Rasierspiegel. Kunst wollte nicht mehr zerkleinert, gargekocht und als Fertigmenü kaugerecht zum Verzehr angeboten werden. Lonzis Gespräche verzichten gerne auf den endgüligen Schlußstrich, das allseits zufriedenstellende Resümee. Sie wollen den Dialog zwischen Kunstwerk und Betrachter lediglich ein Stückchen weitertreiben.
„Ab einem gewissen Punkt sah ich im Kunstwerk auf einmal eine Möglichkeit der Begegnung, eine Einladung zur Teilnahme, die die Künstler an jeden einzelnen von uns richteten...In dieser Zeit wuchsen meine Zweifel an der Rolle des Kritikers, die mir als eine kodierte Form der Entfremdung von der Kunst erschien, der Kritiker besaß die Macht die Künstler zu diskriminieren.“
Folgerichtig wird auch im schönen Ausstellungskatalog ein breiter Raum von seltsamen, sperrigen, lustigen Interviews okkupiert.
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