wohin heute? : Beduinen und häkelnde Soldatinnen
Am Anfang war das elfte Gebot: Du sollst nicht urteilen. Jedenfalls nicht über fremde Menschen und Situationen – und schon gar nicht über die Struktur zerrissener Gesellschaften im Nahen Osten. Das gesellschaftspolitische Kaleidoskop, das Sabine Peters in ihrem neuen Roman „Singsand“ entfacht, eignet sich bestens zur Illustration dieser Forderung, hat die 1961 geborene, in Hamburg lebende Autorin doch etliche Facetten israelisch-palästinensischer Realität in ihren Text gewoben.
Die deutsche Marie trifft auf ihrer Reise Holocaust-Überlebende, deren Seelen noch in ihrer galizischen Heimat wohnen. Später begegnet sie einer israelischen Palästinenserin und dem Taxifahrer, für den jeder palästinensische Junge ein Selbstmordattentäter ist. Traumata und Widersprüche haben all diese ProtagonistInnen geschultert; Klischees en masse werden zersplittert, wenn man die häkelnden Soldatinnen trifft, die gern ein normales Leben führten. Mit Tätern und Opfern sprechen Marie und ihr Mitreisender Rupert; sie werden während ihrer Reise vergebens Klarheit suchen und stetig an mäandernden Grenzen scheitern.
Ob sich die Komplexität dieser verzweifelt-fröhlichen Gesellschaft dann aber durch Form fassen lässt? Sabine Peters versucht es redlich, wirft atemlos Substantive und Situationen wie beim Dart-Spiel aufs Papier, als hoffe sie so den Konflikt einkreisen und seine Lebenslinien erfassen zu können. Doch die bleiben sorgsam verborgen. PS
Lesung: heute, 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38