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Bedingungsloses GrundeinkommenSolidarität gegen die Eurokrise

Beim 14. BIEN-Kongress diskutieren die Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens europäische und weltweite Lösungsansätze.

Bedingungsloses Grundeinkommen: 200 Euro monatlich von der EU? Bild: ap

OTTOBRUNN taz | Wenn sich die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) treffen, ist häufig die Rede vom Glauben an eine bessere, weil egalitäre Welt. Fast klingt das alles sakral, als treffe sich eine Glaubensgemeinschaft, um einander in ihrer Erleuchtung zu bestärken.

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, einem sozialpolitischen Finanztransfer-Modell, nach dem jeder Bürger unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage und ohne Gegenleistung vom Staat die gleiche finanzielle Zuwendung erhält, ist nicht neu.

In Deutschland erlebte die Debatte nach der Einführung der Hartz-IV-Gesetze unter der rot-grünen Bundesregierung ihren Höhepunkt. Seither hat sie hierzulande an Fahrt verloren. Weltweit aber ist sie nach wie vor virulent.

„Die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen hat sich verändert“, sagt Ronald Blaschke, Sprecher des Netzwerks Grundeinkommen, das am Wochenende zum 14. BIEN-Kongress nach Ottobrunn bei München geladen hatte. „Auch das Themenspektrum ist breiter geworden.“ Der Wunsch nach einem bedingungslosen Grundeinkommen ist mittlerweile der gemeinsame Nenner. Diskutiert werden Realisierungsmodelle und die Rahmenbedingungen, die nötig sind, damit die Vision in Erfüllung geht.

Weltweiter Ansatz statt Ausgrenzung

„Das Grundeinkommen ist nicht mehr denkbar ohne eine CO2-Steuer“, sagt beispielsweise Jan-Eric Hyafil, ein 29-jähriger BWL-Student aus Paris, der sich in seiner Doktorarbeit mit dem BGE befasst. Während das BGE bis vor Kurzem noch als Alternative zu den bisherigen Sozialleistungen gedacht wurde, treten nun Umweltabgaben, Steuern auf (staatliche) Ressourcen, der Verkauf von Emissionsrechten oder die Finanztransaktionssteuer als Finanzierungsgrundlage in den Blick.

Auch die Perspektive hat sich geändert. Meist wird das BGE heute nicht mehr national gedacht, sondern europa- oder weltweit. Ein Grund dafür ist die Angst vor Ausgrenzung und Xenophobie, die mit der Einführung des BGE auf nationaler Ebene einhergehen könnte.

„Eine ungelöste Frage ist doch, wer dann vom BGE profitiert“, sagt beispielsweise der belgische Sozialwissenschaftler und Philosoph Philippe Van Parijs. „Werden es alle Einwohner eines Landes sein oder nur alle Staatsbürger?“ Zusätzliche Flüchtlingsströme in ein Land, in dem es das bedingungslose Grundeinkommen gebe, seien unvermeidlich, so Van Parijs. Nur ein weltweites Regime könne dieser Entwicklung entgegenwirken.

Van Parijs ist es auch, der das Konzept auf die Eurokrise anwenden will. Er schlägt eine Euro-Dividende vor und befürwortet die Einrichtung einer europäischen Transferunion, die getragen werden solle vom „Gedanken der Solidarität“.

Finanziert durch die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer (Tobin-Tax), dem Verkauf von Emissionsrechten an den höchsten Bieter und einer europaweiten Mehrwertsteuer, will er allen europäischen Bürgern bedarfsunabhängig 200 Euro monatlich auszahlen. „Dadurch würde die Akzeptanz der Europäischen Union bei den Bürgern stark ansteigen“, sagt Van Parijs. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal halten die Zuhörer den Atem an.

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12 Kommentare

 / 
  • HW
    Henrik Wittenberg

    @von Hans Siekmann:

     

    Die Idee dahinter ist, dass dann die EU-Mitgliedsstaaten diese europäische Sozialdividende zu einem echten BGE aufstocken (Deutschland würde dann noch mind. 1000 dazu tun, ärmere Länder wie Rumänien bräuchten dafür allerdings weniger beisteuern).

  • K
    Kinnal

    »Seither hat sie hierzulande an Fahrt verloren. Weltweit aber ist sie nach wie vor virulent.«

     

    Wer die die Diskussion um das BGE in Deutschland (und darüber hinaus) seit 2005 verfolgt, kommt allerdings zu dem gegenteiligen Schluss. Nur weil sie hauptsächlich an der Basis erfolgt und nicht durch die Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Sozialverbände etc. von oben – allerdings sehr wohl von unten – vorangetrieben wird und wir in Deutschland nur Petitionen einreichen könnten (die Schweizer sammeln gerade für eine Volksinitiative zum BGE!) ist das mediale Echo eher verhalten. Die Meinung der taz wird jedenfalls durch einen Besuch des »Archiv Grundeinkommen« Lügen gestraft (auch ein Blick in den bundesweiten Veranstaltungskalender des »Netzwerk Grundeinkommen« verrät die Falschaussage der taz).

  • B
    BürgerLars

    Wie endet denn dieser Artikel?

    Die Zuhörer halten den Atem an? Und dann? Dann kommt der dreifache Looping oder was?

     

    Seltsam?

     

    Ist das schon die ganze taz Berichterstattung zu dem Kongress?

  • BK
    Bertram Kraus

    Stellen Sie sich mal vor, Frau Halser, Sie hätten ein Grundeinkommen!

    Wäre dann die Leistung, ihre Leistung, einen Artikel für die TAZ zu schreiben, einfach nur Gutmenschentum? Würden Sie das überhaupt noch machen? Und wenn doch, könnten Sie sich nicht dann den Luxus erlauben gründlicher zu recherchieren? Einfach so. Das würde schon helfen: über die Arbeitsgesellschaft, die Begriffe Erwerbsarbeit und Einkommen, über Inklusion, über 150 Jahre alte Sozialsysteme, deren Aufbau, Ausgestaltung und Demontage, über die Grundlagen einer Bildungs-und Wissensgesellschaft, über Individualität und Pluralität und über die Fortschritts- und die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft, im ökonomischen, sozialen und ökologischem Sinne, allgemein. Ja, es gäbe viel zu überlegen.

    Und möglicherweise würde dann Kenntnis statt Meinung überwiegen. Vielleicht würde dann weniger von sakraler Glaubensgemeinschaft und Erleuchtung die Rede sein und mehr von ernsthafter Auseinandersetzung und Diskussion.

    Nein, nicht...,na ich frag ja nur mal so.

  • H
    horst

    mal so eine dumme frage was machen eigendlich die BGE Befürworter wenn Radikale nun ausgestattet mit einem staatlichen Grundeinkommen das Ihnen ermöglicht ohne sozialen Druck ihr Süppchen zu kochen bundesweit Schlagzeilen machnen?

     

    Muss dann jeder unterschreiben das Geld nur im Rahmen der FGO zu verwenden? Wer entscheidet was die FGO ist?

    Was passiert bei zuwiederhandlung? Bezahlen wir dann die Gegener dieses Staates? Dann können wir uns auch ein NPD Verbot sparen....oder wird dann aus dem BGE ein "bedingtes" BGE?

  • P
    Peter

    So interessant die BGE Vorstellung ist, sie ist mit den gewünschten Erfolgen nicht durchführbar.

    Ausserdem ist das Grundproblem, der Ursprung warum überhaupt das BGE kommen soll, nicht gelöst.

     

    Die Menschheit wird gegen das, was die Politiker wie Klosterbrüder vor sich her singen "Wirtschaftswachstum" verlieren.

    Die Beliebigkeit und Austauschbarkeit der Menschen als Arbeitsmaterial, werden den Wettlauf gegen die exponentielle Geldentwicklung und leistungslose Wertschöpfung aus dem Nichts, verlieren.

    Die Zentrifugalkräfte sind gewaltig z.B. globale Spekualtionen mit Lebensmittel.

     

    Idee einer Richtung, die Staaten/Politiker entlassen ihre Bürger aus der Zwangsjacke, Wohnen, Energie, Ernährung, Monopolisten.

     

    Da Geld als Handelsware den größeren Wirtschaftsbereich, größer als die reale Wertschöpfung abbildet, dazu rein mathematisch unendlich, größer als jeder Baum jemals wachsen kann, ist der Wettlauf schon längst verloren.

    Jeder Kulturkreis wird verlieren und nicht überlebensfähig sein.

     

    Alles was aktuell passiert, passieren könnte, ist nur Makulatur und eine Nebelkerze.

    Da nützt kein SPD naiver, steinmeierischer alter Deutschland-Plan aus den Berufsbeamtenautomaten:

    http://www.faz.net/themenarchiv/2.1242/bundestagswahl/deutschland-plan-der-spd-steinmeier-will-vollbeschaeftigung-bis-2020-1845299.html

     

    Wunsch und Wahn, Brand Eins.

    "Kaum ruft jemand "Wirtschaftswachstum!", applaudiert ein Echo in uns "Gut so!" Da kleben Bedeutungen aneinander wie Kletten: Wachstum gleich mehr (des Guten) gleich besser leben. Stell dir die Schlagzeile vor: " Deutsche Bestattungs-Branche wuchs um 27,3 Prozent". Sagt das irgendetwas über besseres Leben - außer für die Bestatter?"

     

    "Seitdem Mutter Evolution das Projekt Saurier beendet hat, gibt es auf unserem Planeten nur zwei Lebewesen, die die Lektion nicht verstanden haben: die Krebszellen und der Mensch."

    http://www.brandeins.de/magazin/wachstum/kolumne-wunsch-und-wahn.html

     

    Der exponentielle Geldwettlauf ist der absolute Irrsinn, wider sämtlicher Logik aller Zeiten.

  • P
    p3t3r

    wenn ich diesen artikel lese, wäre ich froh dort gewesen zu sein, um mir selber ein bild zumachen.

    man könnte meine das wird unterwandert um das bge lächerlich zumachen.

    oder die taz reporterin findet es auch blöd und dann hat sie die schere im kopf

  • A
    Arschinoff

    Die Empfänger werden dann alles tun, um für ihre Dekadenz ihr Lieblingskind, den Kapitalismus, auszubauen und verteidigen und der funktioniert seit den Plünderungen Amerikas nur durch totale Ausbeutung. Ohne das Gold der Inka gäbe es heute keine Banken, keinen Kapitalismus und ohne die Kartoffeln und anderen gestohlenen Kulturpflanzen gäbe es nicht eine derartige Überbevölkerung in Europa, die der Rest der Welt durchfüttern soll. Wenn hier also von "global" die Rede ist, dann ist es genauso, wie wenn sie vom "Mensch" phantasieren: Gemeint ist immer nur der Herrenmensch der 1. Welt.

    Die 3. Welt existiert nur als Sklave und Rohstofflieferant, als Völkergemordete, damit sich "der Mensch" alle paar Monate einen neuen Vibrator ins Ohr stecken kann, um alles zur Telefonzelle zu machen und mit seinem überflüssigen Gesabbel zu vergiften: "Bla, Bla, Bla und ha, ha, ha!" (Handies sind als Abfallprodukt im Grunde genommen bereits ein Grundeinkommen für all die überflüssigen Kreaturen und Mutanten, die die 1. Welt ausmachen)

    Besonders dreist ist dabei die CO-2-Kiste, denn diese erbärmliche Existenz kann sich noch nicht einmal vorstellen ohne zu leben; ohne CO-2 ist allerdings die einzige Rettung, denn selbst ein Atomkrieg ist nicht so verheerend wie Autos, Schiffe und Flugzeuge. Offensichtlich kann noch nicht mal das Klimachaos die auf Ausbeutung und günstige klimatische Bedingungen begründete Arroganz des europäischen Übermenschen ankratzen. Zu wünschen bleibt ihm deshalb, jeden Tag von Hurrikans heimgesucht zu werden. Doch dann wird er sicherlich umziehen und all diejenigen, die er zuerst nur ausschließen wollte, als Sklaven in seine bisherigen Gebiete umsiedeln, um im Paradies der Postkarte zu leben: Als Tourist kann man dann ganz besonders umweltfreundlich leben, man braucht kein Klopapier, es gibt Arschabputzer.

  • U
    Ulli

    Es gibt schon längst BGE in D., für Teilbereiche, also für z.B. Junge und Alte. Bei den Jungen65 'Grundsicherung'.

    Arbeitslose ab 58 die aus der Vermittlung genommen werden, haben ebenfalls de facto ein BGE, genauso Kranke (Krankengeld), Früh- oder Invalidenrentner oder Behinderte.

     

    Die anderen bekommen gf. ALGII auch als Hartz4 bekannt-hier fehlt der BGE-Character, da eigenes Vermögen und eigene Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.

     

    Das einzige was derzeit hierzulande am Grundeinkommen in puncto Bedingungslosigkeit fehlt, ist also die Bedingungslosigkeit im Erwerbsalter von Erwerbsfähigen.

     

    BGE hierzulande schließt also lediglich eine bestimmte Lücke.

    Emdlich können die, die ohnehin ungeeignet sich für den Erwerbsprozess sich aus einer sinnfreien bürokratischen Vermittlungsmaschinerie befreien, und alle anderen auch mal kulturell, ehrenamtlich oder freiberuflich arbieten wie es ihnen gefällt ohne wirstchaftlichen Existenzdruck.

     

    Daß dann alle faul und träge werden und die Leistungsgesellschaft krachen geht, halte ich für ein modernes Märchen.

     

    Länder mit BGE wie Norwegen (dort erhält jeder Bürger einen jährlichen Gewinnanteil aus dem Nordseeöl) sind in der Regel prosperierend.

     

    Länder ohne jegliche soziale Grundabsicherung wie Griechenland dagegen prosperieren weniger.

  • J
    Jörn

    Passend zum Thema: der gerade erschienene Sammelband "Wege zum Grundeinkommen" vom Bildungswerk Berlin: http://www.bildungswerk-boell.de/web/120.html

    Dort kostenlos erhältlich. Mit Beiträgen von Wolfgang Strengmann-Kuhn, Götz Werner, Katja Kipping, Philippe van Parijs, Guy Standing und anderen.

  • WR
    Weiße Rose

    In Deutschland hat das BGE einen zusätzlichen - nicht zu unterschätzenden - Gegner:

    Die Mentalität hierzulande.

    Der allgemein geschätzte Repressionsstaat könnte ins Wanken geraten, wenn der gemeine Beamte oder Arbeitsagenturmitarbeiter plötzlich niemanden mehr drangsalieren oder zumindest bevormunden kann.

    Wollen wir dieses unkalkulierbare Risiko wirklich in Kauf nehmen?

  • HS
    Hans Siekmann

    o gott. o graus.

    Da gibt es die Idee des BGE. Und die sollte eine Einkommensberechtigung sein. Ein Einkommen von 200 € pro Bürger, sorry, so ein Schwachsinn.

    Das BGE sollte endlich eine Umverteilung beinhalten und zwar eine unumkehrbare. Die Existenz eines jeden sollte dadurch gesichert sein. Also sollten es auch 1.200 € sein.

    Nur so werden die ganzen anderen Sozial-Massnahmen überflüssig. Ja, die Besserverdienenden zahlen mehr Steuern.

    Die Steuern sollten weitgehend in einer Verbrauchs- und Vermögenssteuer münden. So findet ebenfalls eine umfassende Steuerreform statt.

    Erstmal sollte das durch das Geburtsrecht gelten. Später kann man dann Gleichstellungen durchführen. Betroffene genießen die vorübergehend weiter existierenden bisherigen Sozialgesetzgebungen.

    Das BGE darf keine weitere Sozialmassnahme sein, die das bisherige Verteilungsverhältnis stabilisiert.