piwik no script img

Kommentar GrundeinkommenFür einen Bürgerrettungsschirm

Kommentar von Natalie Pavlovic

Diejenigen, die für den globalen Beinahkollaps verantwortlich sind, sollten nicht entscheiden, wovon wir im Alter leben werden. Diese Frage gehört in staatliche Obhut.

S eit Jahren wüten weltweit abwechselnd Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise, Eurokrise und wieder Finanzkrise. Fast täglich gibt es neue Schreckensszenarien über den drohenden Zusammenbruch des Euroraums, der Banken oder der Börsen. Sie zerstören das Vertrauen der Menschen in die Sicherheit der Finanzbranche.

Ausgerechnet dieser übertrug die Politik im vergangenen Jahrzehnt verstärkt die Aufgabe, für die existenzielle Sicherung der BürgerInnen zu sorgen: Seit Beginn der Krise des Sozialstaats werden staatlichen Sicherungssysteme radikal zurückgestutzt. Private Versicherungskonzerne widmen sich dem lukrativen Vertrieb von Riester-Produkten. Und nun wird auch noch eine private Pflegeversicherung gefordert.

Doch die Fragen, wovon wir im Alter leben werden oder was im Pflegefall passiert, sollte nicht in den Händen jener liegen, die für den globalen Beinahekollaps verantwortlich sind. Deshalb gehört die soziale Absicherung dorthin, wo sie mehr als ein ganzes Jahrhundert auch hauptsächlich verortet war: in staatliche Obhut. Niemand sonst kann als zuverlässigerer Garant Risiken wie Krankheit, Altersarmut und Arbeitslosigkeit abfedern, wenn die Finanzbranche kollabiert.

Wolfgang Borrs
NATALIE PAVLOVIC

28, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Grünen im Stuttgarter Landtag. Seit 2011 ist sie taz-Genossin.

Es ist an der Zeit, die Systemfrage sozialer Sicherung zu stellen. Das führt zu einer anderen, radikalen sozialpolitischen Maßnahme: dem bedingungslosen Grundeinkommen, das der Staat allen ohne Gegenleistung gewährt. Es wäre angesichts der täglich neuen Verunsicherung der Menschen die richtige Antwort auf die Dauerkrise. Nur die bedingungslose Absicherung führt zu einem guten Leben, frei nach dem Motto: Nur wer isst, kann seine Kreativität ausleben, sich persönlich entfalten, seine Energien gemeinschaftlichen Aufgaben und Herausforderungen widmen.

Es drängt, denn Niedriglöhne, prekäre Beschäftigungen, Angst vor Hartz IV und sozialem Abstieg sind durch die Krise immer weiter verbreitet. Es bleiben Entfaltungsmöglichkeiten auf der Strecke, die elementar für das Funktionieren der Gesellschaft sind. Diese soziale Realität bedeutet einen massiven Freiheitsverlust, den nur ein bedingungsloses Grundeinkommen beenden kann. Es wäre ein Impuls für eine wirklich neue Gesellschaft, eine neue, ganz andere, bessere Zukunft: einen Staat, der bedingungslos seine Bürger unterstützt, statt bedingungslos Banken zu retten.

Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

14 Kommentare

 / 
  • SZ
    seine Zeit

    Grundeinkommen-Jetzt und Herr von Ebola: Natalie Pavlovic ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Grünen, d.h. sie hat einen Job in der Partei, das besagte nicht mal, dass sie dort Parteimitglied ist... und für die Hartz IV Gesetze kann sie schon gar nichts. Bei den Grünen gibt es im übrigen ein großes Meinungsspektrum zum bedingungslosen Grundeinkommen, aber noch sind die Befürworter in der Minderheit und vor allem in der Grünen Jugend zu finden, es braucht eben seine Zeit, bis sich solche Gedanken durchsetzen und mehrheitsfähig werden. 'Ihr' Vereinfacher: Gut Ding will Weile haben.

  • MB
    Martin Bartonitz

    Ja, das kann nur unterstützt werden, siehe auch den Brandbrief zum Ausstieg aus der Tafel: http://faszinationmensch.wordpress.com/2012/04/13/die-tafeln-betreffend-weil-mein-gewissen-es-mir-befiehlt-offener-brief/

    Gleichzeitig muss aber auch die Geldschöpfung den Privaten aus der Hand genommen werden. Das gehört genauso in die Gemeinschaftliche Hand. Nicht umsonst werden die Staaten gerade von den Privaten erpresst.

    VG Martin Bartonitz

  • M
    MattF

    Alles richtig nur wo finde ich das bei den Grünen?

     

    Dort scheint man sich in letzter Zeit ja eher unsachlich und populistisch mit der Schweiz auseinander zu setzen und ähnliche Dinge mehr, als Sachpolitik zu machen.

     

    Ein interessanter Aspekt ist ja auch, die Schuldenkrise ist ja nicht nur eine Schuldenkrise sondern auch eine Vermögenskrise, weil jeder € Schulden ist ein € Vermögen. Und wieso steigen die Vermögen, nicht nur weil die Reichen immer reicher werden, sonder auch weil der Mittelstand ja immer mehr sparen muss fürs Alter und Vermögen anhäuft.

    Das Geld taucht aber irgendwo wieder als Schulden auf, die Gelder in den privaten Rentenversicherungen dafür suchen sich die Banken Anlagemöglichkeiten, z.b. in der Vergangenheit in Griechenland. Usw. usw, sicher nicht allein der Grund der Schuldenkrise aber ein Aspekt.

  • CS
    Carl Schurz

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    ....das ist aber schön. Keiner muss mehr arbeiten und den liben Gott einen guten Mann sein lassen, wie der Kretschie in B-W.

  • TG
    Thomas Gehrke

    Richtig!

  • P
    P.-A.Hentzien

    Das Problem dabei: Der Staat/die Regierung ist von Lobbyisten, Seilschaften und Wirtschaftsfilz durchzogen. Daher wird es auch kein Zurück zum staatlichen Auftrag geben, sondern vielmehr zu immer mehr erzwungener privater Vorsorge - egal, ob es ein Versicherter will oder nicht, bzw. es sich überhaupt leisten kann. Der Staat entzieht sich seiner Verantwortung mit der Begründung es sei kein Geld vorhanden. Die Steuereinnahmen liegen auf Rekordniveau, aber die Bürgschaften für Griechenland, die U-Boot-Geschenke für Israel und der unsinnige Afghanistaneinsatz etc. pp. müssen ja finanziert werden - da ist der kleine Bürger, gelinde gesagt, eher ein Störfaktor. Wenn man diesen nicht zum Zahlen bräuchte, dann würde man den Bürger sicher gerne abschaffen. Ich weiß derzeit keine Partei, die ich wählen könnte. Und ich will mich auch nicht vor die wunderbare Wahl zwischen Pest und Cholera stellen lassen. Die Vorgehensweise der Regierung und der etablierten Parteien ist ziemlich gefährlich, weswegen ja auch versucht wird die Freiheiten der Bürger Stück für Stück einzuschränken - möglichst in einer Weise, dass jeder Schritt nicht weiter dramatisch erscheint - solange man nicht das große Ganze und das angestrebte Endziel betrachtet. Wehret den Anfangen - wobei diese "Anfänge" spätestens mit der Agenda 2010 begonnen haben. Das Wahlvieh soll nur seine Stimme abgeben und dann gefälligst schweigen.

  • AS
    Andreas Schütze

    Das Grundeinkommen sollte um den Begriff "bedingungslos" erweitert werden, so wie es die Piraten für sich entdeckt haben. Der heutige Sachverhalt im sozialen Geldstrom "Hartz-IV" ist mit dem Makel behaftet, dass jene finanzielle Rechenschaft ablegen müssen, die ohne Eigenverschulden ihren Arbeitsplatz verloren haben und nun kommunale Hilfe benötigen. Andere wiederum, die dafür verantwortlich sind, das jene zu Hilfsempfängern wurden, ziehen sich meistens mit einem "goldenen, millionenschweren" Handschlag aus der Affäre, ohne über ihr Missmanagement Erklärung ablegen zu müssen. Dieser Zustand kann nicht weiter tolleriert werden, denn es macht die Unschuldigen zu Tätern. Sich etwas erwirtschaftet zu haben darf im sozialen "Ernstfalle" nicht zur Strafe werden.

  • M
    macha

    Bedienungslose Grundeinkommen für jeden ab Geburt wird nie kommen.

    Es sei denn wir schicken alle Machthaber zum hern Teufel und führen den ein, ind zwar auf den ganzen Planet.

    Sobald das passiert, kommt den goldene Zeitalter.

    Dann werden die Menschen befreit.

  • S
    Stefan

    Ich hätte ja so langsam einiges darauf verwettet, dass die taz es darauf anlegt, dieses Thema totzuschweigen.

     

    Na mal sehen, wie es weitergeht.

  • RD
    Rudolf Diesel

    Ihr seid in Deutschland 80 Millionen Menschen, die von Gehalt, Lohn, Salär abhängen. Wenn jeder von euch wöchentlich nur einen Cent in eine gemeinsame "Volkskasse" gibt, so werdet ihr als Gesamtheit in einer Woche € 800.000,- besitzen; legt ihr dieses Geld in unangreifbarer Form an, etwa in Hypotheken oder in sicheren Staatspapieren, so könnt ihr damit Bürgschaft leisten für einen Betrieb mit € 800.000,- Kapital, d. h. Einige hundert eurer Brüder zu unabhängigen Selbstunternehmern machen, die über ihr Arbeitsprodukt frei verfügen. Die allwöchentliche Wiederholung dieses unmerklichen Opfers führt in einem einzigen Jahr zu einem Besitz der Gesamtheit von knapp € 42 Mio. mit welchem ihr im Wege der Kredithaftung vielleicht 10.000 Brüder nebst ihren Familien, im ganzen 20.000 oder 30.000 Menschen, unabhängig machen könnt. Entschließt ihr euch aber, statt in jeder Woche an jedem Tag einen Cent der Gesamtheit zu opfern, so habt ihr pro Jahr gut € 290 Mio. und in 10 Jahren schon knapp € 3 Mrd. Zu eurer wirtschaftlichen Erlösung zur Verfügung.

  • L
    lenz

    ".... die für den Beinahe-Kollaps verantwortlich sind" - waren das nicht die Staaten? Wer hat denn zu viele Schulden gemacht? Die Deutsche Bank oder Griechenland? Ist der Staat, also Politiker, die nur bis zur nächsten Wahl schauen, und Beamte, unkündbar auch bei schweren Fehlern, wirklich der bessere Manager?

    "Bedingungsloses Grundeinkommen" klingt gut. Nur wie viel, wer zahlt, wer gewinnt, wer verliert? Wer das nicht erklärt kann auch Weltfrieden fordern oder die Abschaffung der Armut.

  • GJ
    grundeinkommen - jetzt

    NATALIE PAVLOVIC

    28, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Grünen im Stuttgarter Landtag. Seit 2011 ist sie taz-Genossin.

     

    das bge sollte sie vorallendingen in ihrer partei vorantreiben, sonst ist das geschriebene nichts wert, denn schließlich waren es auch die grünen die für das jetzige elend verantwortlich sind. hartz iv ist ein verbrechen!

    inzwischen merken die macher was sie angerichtet haben. eine hartz iv gesellschaft - verarmt, verunsichert und ängstlich ist trostlos und endet in der sackgasse. wer will das?

  • SS
    Sehr starke Zustimmung

    Großartiger Kommentar! Danke!

  • E
    Ebola

    Liebe Frau NATALIE PAVLOVIC,

    unter Rot-Grün wurde die Agenda 2010 verabschiedet, der Finanzmarkt dereguliert und damit diese ganze Sch..ß. auf den Weg gebracht der uns jetzt im Alter umzubringen droht, dann wenn wir uns am wenigsten wehren können. Schon vergessen?!

    Noch immer gilt:

    Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!

    Wer war mit dabei? Die Grüne Partei!

    Im Reden seid Ihr groß, doch im Handeln klein.

    Eben Kleinbürger.