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Beate Klarsfeld in der BundesversammlungEin stummes Hosianna im Bundestag

Beate Klarsfeld bekommt bei der Wahl des Bundespräsidenten drei Stimmen mehr als erwartet. Während der Abstimmung strahlt sie Gelassenheit aus.

Beate Klarsfeld freut sich offensichtlich, im Bundestag zu sein Bild: reuters

BERLIN taz | Eine halbe Stunde vor Beginn der Wahl des Bundespräsidenten versammelt sich die Fraktion der Linkspartei zum Gruppenbild. 123 Abgeordnete, Wahlfrauen und -männer quellen aus dem Sitzungssaal auf der Fraktionsebene, von einer Klappleiter herunter gibt der Fotograf Anweisungen zur Aufstellung. Beate Klarsfeld, die Gegenkandidatin zu Joachim Gauck, steht lachend im Zentrum des Bildes.

„Ab 125 schreien wir Hosianna!“, raunt ein Fraktionsmitarbeiter. 125 Stimmen für Beate Klarsfeld bei der Bundespräsidentenwahl – das wären zwei Stimmen mehr, als die Linkspartei Abgeordnete und Wahlleute in die Abstimmung schickt. Zwei Stimmen aus anderen Fraktionen, zwei Stimmen von Wahlmännern oder -frauen, die Joachim Gauck, dem Konsenskandidaten der anderen vier Fraktionen, ihre Stimme verweigern.

Kurz darauf hat die 1.232-köpfige Bundesversammlung ihre Plätze eingenommen. Es herrscht drangvolle Enge, der Saal ist bis in die hintersten Ecken gefüllt. Beate Klarsfeld sitzt auf einem der dazugestellten schwarzen Stühle. Zwischen Gregor Gysi und Klaus Ernst.

Die 73-jährige Publizistin ist chancenlos gegen Joachim Gauck, sie weiß das. Dennoch strahlt sie eine nonchalante Gelassenheit aus. Sie ist offensichtlich froh, heute hier zu sein. Im Deutschen Bundestag.

Nominierung als Ehre

Die Antifaschistin Klarsfeld hatte seit den 60er Jahren gemeinsam mit ihrem französischen Ehemann Serge Klarsfeld zahlreiche unbehelligt weiterlebende Nazitäter ausfindig gemacht. Im November 1968 ohrfeigte sie bei einem CDU-Parteitag in Berlin den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger wegen seiner NS-Vergangenheit.

Klarsfeld erhielt hohe Auszeichnungen. In Frankreich. In Israel. In den USA. In Deutschland war sie für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Bekommen hat sie es nicht.

Vor drei Wochen wurde die Nazi-Jägerin dann von der Linkspartei zur Gegenkandidatin zu Gauck erklärt. Als am Sonntag Bundestagspräsident Norbert Lammers das Wahlergebnis verkündet, schreit dennoch niemand „Hosianna!“. Dabei hätte die Linke Grund dazu. 126 Stimmen entfallen auf Beate Klarsfeld, drei mehr als erwartet. Klarsfeld lächelt, als die Fraktion ihr applaudiert. Dann geht sie, begleitet von den Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, hinüber zum Sieger.

Joachim Gauck gibt ihr die Hand, die beiden lächeln sich kurz an. Möglich, dass sie sich schon bald wiedersehen. Die Linkspartei hat Beate Klarsfeld noch mal für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Verleihen würde es ihr der neue Bundespräsident. Und der heißt seit diesem Sonntag Joachim Gauck.

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10 Kommentare

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  • SG
    Stefan Genrich

    Beate Klarsfeld hat sich durch die Jagd auf alte Nazis natürlich große Verdienste erworben - doch die Aktion gegen den damaligen Bundeskanzler Kiesinger gehört keineswegs dazu. Beate Klarsfeld hat wohl nicht bestritten, dass sie Kiesingers öffentliche Demütigung und Anklage in erster Linie als Symbol betrachtete und er als brauner Satan herhalten musste.

     

    Dass die DDR-Führung diesen Ansatz übersteigerte, mag Beate Klarsfeld seinerzeit nicht klar gewesen sein. Jedenfalls waren den SED-Genossen die tatsächlichen Verbrechen der Nazis herzlich gleichgültig, ging es doch bei der Unterstützung für Beate Klarsfeld in erster Linie um eine Diffamierung der Bundesrepublik und ihres politischen Systems - ein leichtes Spiel für Walter Ulbricht und seine verlogenen Jünger, denn die starke personelle Kontinuität seit dem Dritten Reich in Westdeutschland war schlecht zu übersehen.

     

    Die DDR verbarg hingegen den anhaltenden Einfluss ihrer alten Nazis geschickter. Diese Herrschaften gelangten bis ins ZK der SED oder bauten mit ihren Kenntnissen die Nationale Volksarmee auf, so lange sie sich nur zum Real Existierenden Sozialismus bekannten. Sogar aktive Mörder aus den KZs konnten nach dem Krieg etwa an den Hochschulen untertauchen, wenn sie die neue rote Fahne schwangen. Kritik an dieser Heuchelei konnte sogar als gefährliche Hilfe für den Klassenfeind diffamiert werden.

     

    Schließlich folgte die DDR anders als die Bundesrepublik einer strukturellen Kontinuität, denn in Deutschland überlebten preußischer Stechschritt, eine Militarisierung des Alltags, Beherrschung durch eine Ideologie und nicht zuletzt extreme Gesinnungsschnüffelei nur hinter dem Eisernen Vorhang. Dadurch wird der bis heute vernehmbare reaktionäre Klosettgestank vieler Bundesbürger der Sechziger Jahre übrigens keineswegs angenehmer.

     

    Beate Klarsfeld ist nicht unbedingt anzukreiden, dass sie DDR-Archivmaterial nutzte und rot lackierte Broschüren gegen einen Bundeskanzler mit braunen Flecken einschleppte. Hingegen wäre eine Entschuldigung dafür angebracht, dass sie die alten Nazis der DDR nicht mal erwähnte und einer propagandistischen Kampagne sehr fragwürdiger Gestalten zum Erfolg verhalf. Sind diese Zusammenhänge so schwer zu begreifen?

  • A
    antifaschist

    http://de.wikipedia.org/wiki/Beate_Klarsfeld

    bitte lesen!

     

    70% der bevölkerung wollte den "neoliberalen diener seiner zunft", vermelden die statistiken. ich habe das angezweifelt. nach dem heutigen lesen in zeitungsforen glaube ich das aufs wort. frau klarsfeld tut gut daran nicht in deutschen zeitungen und vorallendingen in deren foren zu lesen. "70%" gehässige bemerkungen die die welt mitliest, dafür sorgen webseiten wie etwa wikipedia.

     

    70% rechte ideologie mit schaum vorm mund! eine posse wie die bp "krönung" von super-gau-ck ist die peinlichkeit in reinstkultur. eine einheitspartei wählt nur den einen und merkt nicht, das sie sich outen und unwählbar machen. wer will eine einheitspartei?

     

    in einem "nazi-deutschland" mit behörden, die selbige zahlen und schützen und beim morden ausländischer bürger zuschauen oder wegschauen, verwundert mich dieser angriff und die diffamierung gegen frau klarsfelds nicht mehr. diese wahl hat der welt gezeigt. etwa 1000 käufliche und korrupte politiker mit einem willigen volk leben und atmen rechts. ein volk bekommt den gauckler und die korrupten politiker die sie verdienen.

  • V
    Vanunu

    Ach Michel@ welch ein Irrtum, Frau Klarsffeld als Verbündete des mickrigen Realsozialismus anzugiften.Die Frau ist doch h e u t e eher eine Konmservative mit Rechtsdrall. Sie, ihre gesamte Familie macht doch Reklame für den rechtslastigen Sandstrahl-Sarko, den Freund der Roma und Migranten. Das ist doch auch I h r e Rictung, nichtwahr?

     

    Nur die raffinierteren Rechtslastigen in der BRD(BILD, Friede Springer. die neoliberale FDP) haben begriffen, daß Bonsai-Malthus Gauck i h r Mann ist- die "Junge Freiheit" jubelte gar "Wir sind Präsident!" Das sind Sie. lieber Herr

    Michel jetzt auch!

     

    Die Kanidatin Klarsfeld indes war wohl je kaum politisch "links". Sie hatte vielleicht einen Blick für alte Nauzis, für meue , raffiniert kostümierte Faschistoide wie Sarkozy oder auch die Netanjahu-Gang ist sie auf beiden Augen blind.

     

    Daß der rechtszionistische Gysi-Flügel der Linken ein solches politisches Kuckucksei als Präsidentschaftskandidatin ins Nest legen konnte, das ist schon machiavellistisch brilliant!

     

    Das zeigt, daß die Partei höchstens so etwas wie ein politischer Schmelztiegel ist, in dem es vorerst Rechtslastiges wie Linkslastiges gibt...Spaltung ist wohl abzusehen.

  • A
    AuchneMeinung

    Was mir sehr auf den Geist gegangen ist ist, wie sie gestern bei einem Fernsehinterview (ich glaube, es war Phoenix) permanent rumgegreint hat, dass man ihr doch schon soundso viele Male das Bundesverdienstkreuz verweigert hätte und dass es sie doch freuen würde, Gauck würde es ihr endlich verleihen. Bei allem Respekt vor der Leistung von Frau Klarsfeld, aber diese Anbiederei und Bettelei um einen Orden ist ekelhaft!

  • R
    reblek

    "In Deutschland war sie für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Bekommen hat sie es nicht. ... Die Linkspartei hat Beate Klarsfeld noch mal für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen." - Tja, wer sich die Liste derer ansieht, die dieses Kreuz bekommen haben, sollte Klarsfeld es sich als Auszeichnung anrechnen, es nicht tragen zu müssen. Aber der sich selbst frech-monopolistisch als "Die" Linke bezeichnende Laden ist halt so traditionalistisch, dass er so etwas nicht bemerkt.

  • S
    spin

    nur drei jenseits der linkspartei haben sie gewählt - also haben linke grüne und spdler eine chance vertan, wenn schon nicht den reaktionär gauck, so doch diesen einheitsmampf abzustrafen -- und die verdiente antifa klarsfeld symbolisch zu stützen. schade und doof, aber nicht schlimm.

     

    und dass ratlose rechte die klarsfeld, die anfang der 70er einreiseverbot in die ddr hatte, als mfs-liebchen hinzustellen - naja, der übliche quatsch.

  • F
    Fritz

    Uebrigens ganz interessant nachzusehen, was Kiesinger eigentlich vorgeworfen wurde. Da bleibt nicht viel, eigentlich praktisch nichts. Man muss schon ein Weltvereinfacher vom Schlage DDR sein, um daran etwas wirklich anstoessiges zu sehen. Er war vielleicht nicht ganz politisch korrekt, aber etwas wirklich boeses hat er wohl absolut NICHT getan!!

  • RZ
    Ralf Zimmermann

    So,die Wahl ist endlich vorbei,und die "grande dame"kann zurück in ihr parieser Nobelviertel.Selten soviel Heuchelei und Selbstlob auf einmal gesehen....:)Die drei Stimmen über Mandat waren bestimmt von der NPD...:)

  • M
    Michel

    Ich glaube die Klarsfeld hat ihre Auszeichnung schon bekommen...die

     

    "Auszeichnung für treue Dienste im MfS".

     

    Muß mal in ihren alten Sachen kramen!

     

    ...und jetzt bitte zurück mit ihr nach Frankreich! Danke!

  • W
    Wolf®

    ...und wenn der Gauck Frau Klarsfeld das Bundesverdienstkreuz verleiht und wieder behauptet, DDR wäre DrittesReich 2.0, kotze ich auf den Fernseher....