: Bayern bald wieder gesetzestreu
■ Schwangerschaftsberatung soll ab nächster Woche auch in Bayern anonym möglich sein – wenn's denn unbedingt sein muß. Die neue Anordnung des Sozialministeriums ist schon in Arbeit
Berlin, Bayern (taz) – Ab nächster Woche können bayerische Schwangere bei ihrer Zwangsberatung anonym bleiben: Dann dürfen die dortigen Beratungsstellen die Personalien der Frauen nicht mehr gegen deren Willen archivieren. Mit dieser Neuerung reagierte das bayrische Sozialministerium gestern auf Recherchen der taz.
Im Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.Mai 1993 zum Schwangerschaftsrecht, bekannt und beliebt auch unter dem Titel „Paragraph 218“, wonach Schwangere auf Wunsch bei der Beratung anonym bleiben dürfen, sammeln sämtliche Beratungsstellen in Bayern bislang die Personalien der Frau. Versucht die Schwangere, auf ihr verbrieftes Anonymitätsrecht zu bestehen, erhält sie keinen Beratungsschein und kann so weder legal noch offiziell abtreiben. Albert Limmer, Pressesprecher des zuständigen Ministeriums, will nun „in den nächsten Tagen“ ein Rundschreiben an sämtliche Beratungsstellen schicken, mit folgender Anweisung: „Wenn eine Frau ausdrücklich darauf besteht, anonym bleiben zu wollen, werden ihre Personalien nicht archiviert und sie erhält einen Beratungsschein.“
Eva Zattler, Beraterin, und Friedrich Wilhelm Hosemann, Geschäftsführer bei Pro Familia München, begrüßen diese prompte Reaktion. Ihre Maximalforderung jedoch, die im Vergleich zu den anderen Bundesländern nur eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist noch nicht erfüllt. Sie fordern, daß „grundsätzlich“ keine Personalien von abtreibungswilligen Frauen bei den Beratungsstellen gesammelt werden. Allein dadurch, daß die Frauen bei der Pflichtberatung vor die Wahl gestellt werden können, ihre Personalien preiszugeben, können mißverständliche Situationen entstehen. Die Offenheit der Beratung jedoch verbietet es, Druck in jeglicher Form auszuüben. Zudem ist die Gefahr des Datenmißbrauchs nicht glaubwürdig ausgeschlossen.
Hessens Datenschutzbeauftragter Winfried Hassemer sieht ohnehin keinen triftigen Grund, die Daten der beratenden Frauen zu speichern. „Es gibt andere Möglichkeiten, die Anonymität zu wahren und zugleich Dokumentationsinteressen zufriedenzustellen.“ Die Datenschützer denken bereits über ein Nummerierungssystem nach.
Limmer dagegen will, daß die Beratungsstellen die Schwangeren darauf hinweisen, daß die Datensammlung ihrem eigenen Schutz diene – dem Schutz vor falschen Anschuldigungen nämlich. Limmers geht von dem abstrusen Fall aus – der wohl nur in Bayern Realität sein könnte –, daß eine Frau mit dem Vorwurf angezeigt werde, sie habe ohne Beratung abgetrieben. Dann, so Limmers, könne sie mit Hilfe der Beratungsstelle nachweisen, daß sie sich habe beraten lassen.
Das Argument trifft allerdings nicht. Denn um Limmers Horrorszenario zu umgehen, genügt es vollkommen, der Frau für den Fall der Fälle auch den zweiten Beratungsschein mitzugeben. Geradezu grotesk wirkt die bayerische Herangehensweise, den Schutz der Frau gegen ihr Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen. Dies ist Nötigung. ja/miß
Kommentar Seite 10, Reportage Seite 11
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