Bayern München gegen 1899 Hoffenheim: Rensings Unhaltbarer
Bayern profitiert in Hoffenheim von einem Fehler des Schiedsrichters. Weil ein Tor von Simunic nicht anerkannt wurde, bricht nun die Debatte um den Wert technischer Hilfen erneut los.
Über Michael Rensing redet bei der ganzen Geschichte keiner mehr. Das ist ein bisschen unfair. Denn es gäbe endlich einmal etwas Positives zu berichten über den Torwart des FC Bayern: Es war wirklich bemerkenswert, wie schnell er am Samstag in der 11. Spielminute seine linke Hand nach hinten hochriss und den Ball, der wie eine Flipperkugel vom Innenpfosten auf ihn zusprang, nach vorn schaufelte.
Endlich - könnte man sagen - hat er mal einen Unhaltbaren gehalten. Nur einen kleinen, irgendwie rensinghaften Schönheitsfehler hat die Geschichte: dass der tolle Reflex sich gut einen halben Meter hinter der Torlinie begab.
Doch dieses entscheidende Detail übersahen die Unparteiischen und versagten deshalb der TSG Hoffenheim die nach dem schönen Kopfball von Josip Simunic wohlverdiente 1:0-Führung. Ohne Rensings Parade wäre dieser Fehler nicht passiert - und eine muntere Grundsatzdiskussion gleich am ersten Bundesliga-Spieltag gar nicht erst aufgekommen.
1899 Hoffenheim: Hildebrand - Beck, Simunic, Compper, Ibertsberger - Weis (62. Vukcevic), Vorsah, Salihovic - Carlos Eduardo - Obasi (87. Terrazzino), Ibisevic (67. Maicosuel)
Bayern München: Rensing - Lahm, van Buyten, Badstuber, Pranjic - van Bommel (80. Timoschtschuk) - Altintop, Baumjohann (73. Müller), Schweinsteiger (84. Braafheid) - Gomez, Olic
Zuschauer: 30.150 (ausverkauft)
Tore: 0:1 Olic (25.), 1:1 Obasi (41.)
Gelbe Karten: - / Müller (1), van Bommel (1)
Es war eine Debatte, die in seltener Einmütigkeit geführt wurde. Der Trainer der geschädigten Partei vertrat die gleiche Position wie der Hoffenheimer Kollege. Und auch der zerknirschte Schiedsrichter schloss sich an. "In einem solchen Fall sind wir Schiedsrichter dafür, dass zumindest die Hintertorkamera eingeführt wird", sagte Babak Rafati. Eine andere Möglichkeit wäre der Nachweis eines Tores per Chip im Ball. Zumindest der Videobeweis sei in solchen Szenen "unkompliziert anwendbar", findet Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick. "Ich bin überzeugt, dass er irgendwann kommt - nur ob wir zwei das noch im Amt erleben, weiß nicht."
Der damit angesprochene Louis van Gaal sagte zunächst nur, dass er derselben Meinung sei. Doch nach kurzer Besinnungszeit bereicherte er den Austausch der Argumente um eine zusätzliche historische Dimension. "Ich war früher Präsident der Vereinscoaches in den Niederlanden", sprach der Bayerntrainer, "da habe ich 1988 einen Test gemacht mit moderner Technik. Aber das wurde von der Fifa und der Uefa gleich verboten. Das sagt genug." Die Restriktionen der internationalen Verbände seien "lächerlich in dieser modernen Zeit. Wenn wir 1:0 hinten gelegen hätten, wäre das ein ganz anderes Spiel geworden". So aber gingen die Bayern in der 25. Minute durch Ivica Olic in Führung. Immerhin schaffte Chinedu Obasi kurz vor der Pause noch den letztlich versöhnlichen Ausgleich (41.).
Am Sonntag meldeten sich weitere Würdenträger zu Wort. Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, erklärte im DSF-"Doppelpass", der Einsatz technischer Hilfsmittel sei kein Problem: "Die Kameras sind nur noch so groß wie ein Fingernagel. Wir könnten es bis nächste Woche umsetzen. Aber die Fifa ist dagegen. Sie will einheitlich von der Kreisliga A bis zur Bundesliga spielen lassen."
Auch die Uefa beschäftigt sich mit dem Thema, allerdings unter einer Prämisse: "Der Fußball soll menschlich bleiben", sagt ihr Präsident Michel Platini. Deshalb startet der Verband in der Gruppenphase der Europa League, dem Nachfolgewettbewerb des Uefa-Pokals, einen Test mit einem fünften und sechsten Offiziellen in Tornähe.
Mit einer solchen Besetzung hätten die Referees möglicherweise auch die andere strittige Szene der Partie in Sinsheim gesehen und geahndet: Auch schon in der ersten Halbzeit hatte Bayerns Kapitän Mark van Bommel im Strafraum Isaac Vorsah vorsätzlich mit der Schulter umgerammt - eine Szene, die mindestens mit Elfmeter und Gelber Karte hätte gewürdigt werden sollen. Doch die Szene spielte sich im Getümmel ab und war auf Anhieb schwer zu entschlüsseln. Sie wurde aber auch gar nicht Teil der Diskussionen um technische Hilfsmittel. Solche Entscheidungen, da herrscht in der Szene weitgehender Konsens, sollten weiter per Tatsachenentscheidung entschieden werden.
Auch Eugen Strigel ist für die Torkamera, allerdings nicht unbedingt aus aktuellem Anlass. "Der Torwart steht ja hinter der Linie und greift nach hinten", sagte der Schiedsrichter-Lehrwart des DFB. "Wir hätten uns schon gewünscht, dass diese Szene richtig entschieden worden wäre."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften