■ Bayern: Der Bänkelsänger Hans Söllner erhält Auftrittsverbot: Subversive Sozis
Zensur, das hat sich auch in Bayern herumgesprochen, hilft nur dem Zensierten. Über politisches Kabarett grinsen die Mächtigen also nur lässig – sich auszublenden, wie seinerzeit aus Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“, hat die CSU nicht mehr nötig. Man muß sich inzwischen schon etwas ganz Derbes ausdenken, um überhaupt noch eine Reaktion zu provozieren. Ist also der Ansbacher Oberbürgermeister Ralf Felber (SPD) ein eingefleischter Hans-Söllner- Fan? Wollte der alte Genosse Söllners unflätige Beschimpfungen der herrschenden bayerischen Kaste über die Landesgrenzen hinaus berühmt machen, damit die Menschen überall erfahren, daß Söllner gute Musik macht und gute, wenn auch arg derbe Sprüche drauf hat? Erscheint Felber gar stoned zur Vorbereitungssitzung des Festkomitees der 1.250-Jahr-Feier seiner Stadt, um dort seinen teuren Postwurf-Amoklauf zu erklären? Dann ist ihm Hans Söllner tiefen Dank für das Auftrittsverbot schuldig.
Aber leider, wir ahnen es, hat Felber vielleicht mal als Jugendlicher an einem Glas Bier genippt (aber nicht runtergeschluckt!), und jedes Genußmittel ist ihm ein Übel. Felbers Söllner-Werbung wäre ein so wunderbares Stück bayerisch-anarchistischer Taktik – bei einem Sozialdemokraten aber leider kaum zu erwarten, eigentlich unmöglich. Schade, doch damit haben wir uns schon abgefunden. Aber Felber entblödet sich auch noch, seine Kontakte ins bayerische Innenministerium spielen zu lassen und ohne Quellenangabe aus Polizeimitschriften von Söllners Konzerten zu zitieren – in einem Entrüstungsrundschreiben, denn „es ist meine Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, daß solches Tun nicht direkt oder indirekt durch Ihre Steuergelder unterstützt wird“. Und dann erfahren die geschockten Ansbacher Familien, schön ins Hochdeutsche übersetzt, daß Helmut Kohl und andere dem Verdauungstrakt eines großen Vogels entstammen – eine Söllner-CD hätten die sich wohl kaum jemals angehört, geschweige denn hätten sie seine Konzerte besucht. Sie werden ihrem Oberbürgermeister für die Aufklärung danken.
Ralf Felber dreht bei einem Glas lauwarmen Wassers sicher schon an der nächsten Idee. Er wolle, schließt er seine salbungsvolle Predigt, „auch weiterhin unangenehme Dinge nicht übersehen“, nein, er will sie sogar „an- und aussprechen“. Uns bleibt die Hoffnung darauf, daß bald noch weitere Musiktips aus Ansbach kommen, vielleicht noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl – zum Verschenken. Stefan Kuzmany
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