: Bayer triumphiert vor Gericht
Kölner Gericht verurteilt die Gruppe „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ zu Unterlaß und Widerruf / Verhandelt wurden kritische Flugblattpassagen / Gericht erkennt auf „üble Nachrede“ ■ Aus Köln Irene Meichsner
Im Kölner Oberlandesgericht erging gestern das Urteil in zweiter Instanz im Zivilprozeß gegen Mitgliedern der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“. Der Chemiekonzern bekam vom Gericht in allen Punkten recht. Der Streitpunkt: zwei Passagen eines Flugblatts von 1986, in dem - erstens stand, daß Bayer „in seiner grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairness“ verletze und - zweitens - daß mißliebige Kritiker „bespitzelt und unter Druck gesetzt“, willfährige Politiker „unterstützt und finanziert“ würden.
Den ersten Satz hatte das Landgericht Köln 1987 als legitime - freie Meinungsäußerung akzeptiert, bloß den zweiten als unbewiesene „Tatsachenbehauptung“ zurückgewiesen. Beide Parteien gingen in die Revision. Oberlandesrichter Ohlenhardt verurteilte die Coordination jetzt insgesamt zu Unterlassung und Widerruf. Und zog völlig unerwartet - auch noch den Paragraphen 186 StGB hinzu: Danach sollen sich die Bayer-Kritiker wegen „übler Nachrede“ strafbar gemacht haben.
Coordinations-Sprecher Axel Köhler-Schnura ist fassungslos, daß das Gericht in puncto „Bespitzelung“ nicht einmal einen Bayer-Werkschutzbericht als Beweismittel anerkannt hat: Dieses Papier, das der Coordination zugespielt wurde, belegt, daß ein Treffen in einer Leverkusener Schule von einem verkleideten Bayer-Späher beobachtet worden ist.
Das Kölner Urteil könnte fatale Folgen nicht zuletzt für Journalisten haben. Hielt Richter Ohlenhardt es doch für unerheblich, ob sich die strittigen Thesen etwa „aus Einzelumständen schlußfolgern“ ließen. Es gehe vielmehr darum, „wie sie vom Leser im Gesamtzusammenhang verstanden“ werden. Die Anwälte der Bayer-Kritiker trauen sich zu, den Prozeß vor dem Bundesverfassungsgericht auszutragen. Die Kosten würden dann insgesamt rund 33.000 Mark betragen.
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