Baustelle: Große Pläne
Bei der Fußball-WM der Frauen wird auch in Wolfsburg gespielt. Bis dahin will die Stadt noch einiges tun - muss sie auch.
Da sieht man mal, dass fast alle Sitze in der Volkswagen-Arena kantinengrau sind. Und dass auf der Gegengeraden "VfL" steht. Wenn da Leute sitzen, sieht man das nicht. Ist ja ein kleines Stadion. Aber selbst ein Stadion mit 30.000 Zuschauern Fassungsvermögen sieht verdammt leer aus, wenn nur 7.229 Fans da sind. Auch die Akustik wird merkwürdig. Die deutsche Nationalhymne, die da vor dem Freundschaftsspiel der Fußball-Nationalmannschaft der Frauen gegen Australien gespielt wird, klingt noch gequetschter als sonst.
Im nächsten Jahr ist Deutschland Austragungsort der Fußball-WM der Frauen. Drei Gruppenspiele und das Viertelfinale werden in Wolfsburg gespielt. Nördlicher kommt die WM nicht. Welche Mannschaften in Wolfsburg spielen werden, entscheidet sich bei der Auslosung am 29. November. Brasilien wäre schön, oder die USA, einige Wolfsburger wünschen sich die Italienerinnen. Wenn die deutschen Frauen in ihrer Gruppe gewinnen, spielen sie ihr Viertelfinale in Wolfsburg. "Für uns wäre das der Höhepunkt des ganzen Turniers", sagt Dennis Weilmann.
Weilmann, 35, ist Leiter des WM-Büros der Stadt. Er hat vier Mitarbeiter und große Pläne. Die Stadt soll eine Fanmeile in der Fußgängerzone bekommen. Die Verhandlungen laufen noch, weil die Fifa auch da ein Wort mitredet. Weilmann will außerdem ein "reichhaltiges, großes Kulturprogramm" organisieren. Eine Ausstellung zum Thema Frauenfußball, organisiert von der Städtischen Galerie. Der Veranstaltungsort "Phaeno" soll was zum Thema Fußball und Frauen auf die Beine stellen, mit der Uni Hannover wird über Vorträge und Vorlesungen gesprochen, es soll ein Filmfestival geben, Lesungen. "Es wird eine Menge passieren", verspricht Weilmann.
Die Stadt, sagt Weilmann, ist sehr an "Nachhaltigkeit" interessiert: "Nach dem Viertelfinale soll nicht alles vorbei sein." Er hofft, dass der Mädchen- und Frauenfußball in der Region einen Impuls bekommt, dass Vereine, die in dem Bereich nicht aktiv waren, aufwachen. "Da gibt es Nachholbedarf." Kurz vor dem Turnier soll es einen Tag geben, der "ganz im Zeichen des Frauenfußballs steht". Ja, ja, nickt er, "wir nehmen das voll ernst".
Wolfsburg sieht die WM, "diese weltweite Bühne", als "große Chance". Die Spiele werden in 100 Länder live übertragen, Wolfsburg wird versuchen, "sich als guter Gastgeber zu präsentieren", in der Hoffnung, dass die Gäste, die sich WM-Spiele vor Ort und im Fernsehen angucken, kommen, um den Rest der Stadt zu sehen. Momentan gibt es am Bahnhof eine Baustelle, aber keine Hinweisschilder auf das Fußballstadion. Auswärtige haben Schwierigkeiten, die Arena zu finden. Das ist wenig gastfreundlich. Wolfsburg will aber mehr sein als die Stadt des Automobilkonzerns, dessen Autostadt man nicht verpassen kann, so viele Schilder sind am Bahnhof.
Der Konzern, der sich eine Fußballmannschaft leistet, hat mit der Frauen-WM nichts zu tun. Nein, sogar "gar nichts", wie Weilmann betont. Vielleicht ist die Frauen-WM eine Chance, sich vom alles beherrschenden Konzern etwas zu emanzipieren. Das Stadion wird nicht "Volkswagen-Arena" heißen, sondern "Arena im Allerpark Wolfsburg".
Wie viel Geld die Stadt für die WM übrig hat, entscheidet sich bei den laufenden Haushaltsberatungen. Klar ist, "dass wir uns gut überlegen, was wir tun, und was nicht", sagt Weilmann. Es werden keine Agenturen eingeschaltet, die was Schlüsselfertiges hinstellen. Und eigene Sponsoren zu akquirieren ist schwierig, denn die Fifa hat Exklusiv-Sponsoren, denen weitgehende Rechte eingeräumt werden. Wie bei den Männern. Da bleiben nur lokale Sponsoren, sehr lokale.
Wenn die deutschen Frauen als Gruppenerste ins Viertelfinale kommen, wird das Wolfsburger Stadion ausverkauft sein. Was den Vorverkauf für die Vorrundenspiele anbetrifft, ist Weilmann zufrieden, angesichts der Tatsache, dass Ticketkäufer nicht wissen, für welche Mannschaften sie Eintrittskarten kaufen. Die günstigsten kosten 20 Euro. Weilmann ist klar, "dass das nicht von alleine läuft, da müssen wir uns anstrengen".
Die Sache mit den fehlenden Schildern am Bahnhof gefällt ihm nicht. "Das werden wir ändern." Bei der WM wird es einen "Welcome-Desk" am Bahnhof geben, Hostessen und eine "geschmückte Stadt". Das Freundschaftsspiel gegen Australien, mitten in der Woche zwischen zwei Spielen des Bundesligisten VfL, ist kein Maßstab, sagt Weilmann. Die 7.229 Fans im Stadion, darunter ein paar sehr junge, sind, beim 2:1-Sieg der deutschen Frauen, ganz schön laut. Es hallt nur so, wenn keiner da ist. Wie in einer Wohnung ohne Möbel.
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