piwik no script img

Bauprojekte von unten in BerlinHaus der Statistik als Vorbild?

Ins Haus der Statistik am Alexanderplatz ziehen die ersten Nutzer ein. Auf dem Dragonerareal dagegen herrscht weitgehend Stillstand. Woran liegt es?

Mitten im Spiel will der Bausenator die Regeln ändern: Dragonerareal in Kreuzberg Foto: picture alliance / Rainer Jensen/dpa

D as ging schnell. Nach nur zehn Jahren Planung und Sanierung hat das Finanzamt Mitte ein neues Domizil. Im Frühjahr zieht die Behörde in die neuen Räume an der Otto-Braun-Straße in Mitte. Es ist der Startschuss für die Inbesitznahme eines der spannendsten Bauprojekte in Berlin.

Eigentlich sollte das seit 2008 leerstehende Haus der Statistik, zu dem auch die Büros in der Otto-Braun-Straße gehören, abgerissen werden. Doch 2015 unterbreiteten Initiativen die Idee, im weitläufigen Areal am Alexanderplatz ein Zentrum für Geflüchtete, Soziales und Kultur unterzubringen.

Was daraus folgen sollte, war nicht abzusehen. Eine Umsetzung der Idee schien zunächst utopisch. Das Haus der Statistik gehörte dem Bund, zudem brauchten sowohl das Finanzamt als auch der Bezirk Mitte neue Büroräume. Wäre alles seinen normalen Weg gegangen, hätte die Initiative vielleicht den Gebäudekomplex vor dem Abriss gerettet, wäre selbst aber leer ausgegangen.

Dass es nicht so kam, hat viel mit den handelnden Personen und Vertrauen zu tun. Zu den Unterstützern der Idee gehörte auch der damalige Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Teilweise gegen den Willen der eigenen Verwaltung hat er sich für ein Modell stark gemacht, das am Ende erfolgreich war: eine Kooperation zwischen Initiative, Bezirk, Senat und der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), die dort 290 Wohnungen errichten wird.

Kaum war 2018 ein erster Kooperationsvertrag unterzeichnet, lief alles weitgehend geräuschlos. Das gleiche kann man von einem anderen Projekt nicht sagen: Auch die Entwicklung des Dragonerareals in Kreuzberg ist ambitioniert. Und auch hier, an der Ecke Mehringdamm und Obentrautstraße, sollen verschiedene Akteure zusammenkommen. Den Bau von fast 500 Wohnungen teilen sich die WBM und Genossenschaften. Letztere sollten, so war es vorgesehen, fast 100 Wohnungen bauen können.

Auch am Dragonerareal war Matthias Kollatz ein Möglichmacher. Er war derjenige, der die Privatsierung des Areals verhindert und den Verkauf durch den Bund an das Land ermöglicht hat. Für die Umsetzung der Planungen sind derzeit aber andere zuständig. Und da fehlt es nicht nur an beherzten Möglichmachern, sondern auch am zweiten wichtigen Erfolgsfaktor: Vertrauen.

Bausenator Gaebler schießt quer

Zuletzt überraschte Bausenator Christian Gaebler (SPD) die Beteiligten mit seinem Vorstoß, der WBM weitaus mehr vom Wohnungskuchen zuzuschanzen als geplant. Ein Grundstück, das sowohl WBM als auch eine Genossenschaft bebauen sollten, soll nun ganz der landeseigenen Gesellschaft zugeschlagen werden. Mitten im Spiel will der SPD-Senator also die Regeln ändern.

„Das Modellprojekt verliert an Modellhaftigkeit, wenn die Stadtentwicklungsverwaltung nun Entscheidungen gegen den Willen des Zukunftsrats durchdrückt und Genossenschaften nach jahrelanger Verabredung aus dem Projekt kickt“, sagte Bezirksstadtrat Florian Schmidt nach der Entscheidung im vergangenen Oktober dem Tagesspiegel. „Es geht hier um 50 Wohnungen, aber es geht eben auch um Verabredungen, die nicht eingehalten werden, und das Vertrauen in die Liegenschaftspolitik des Landes infrage stellen.“

Gut möglich, dass auch die ambitionierte Bürgerbeteiligung, die der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg am Dragonerareal gestartet hat, die ein oder andere Verzögerung verursacht hat. Ohne Vertrauen und mutige Akteure aber gibt es nicht nur Verzögerungen. Am Ende könnte das ganze Projekt scheitern. Vielleicht sollte sich Bausenator Gaebler am Haus der Statistik ein Vorbild nehmen. Oder an seinem Parteikollegen Matthias Kollatz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!