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Bauprojekte in HamburgRuinierte Landschaften unter Rot-Grün

Den roten Teppich haben SPD und Grüne der Immobilienwirtschaft ausgerollt. Holsten-Areal, Esso-Gelände und Elbtower zeigen, wie naiv das mitunter war.

Verspekuliert: Statt Wohnungen gab es im vergangenen Sommer auf dem Gelände der Holsten-Brauerei immer noch Schuttberge Foto: Joerg Boethling/Imago

Hamburg taz | Hinter dem hohen Zaun, der das Esso-Gelände umgibt, wuchert seit Jahren still das Gestrüpp. Auf dem Holsten-Areal liegen immer noch die Schutthaufen vom Abriss. Und dass selbst beim Anblick eines 100 Meter hohen Betonskeletts ein Gewöhnungseffekt eintritt, verwundert nach so langer Zeit kaum noch: Seit anderthalb Jahren tut sich schließlich nichts mehr am Elbtower in der Hamburger Hafencity.

Dass er in Sachen Stadtentwicklung zupackt, konnte Hamburgs rot-grüner Senat über weite Strecken der zu Ende gehenden Legislatur nicht zeigen: Bedingt durch die Zinswende und die steigenden Baukosten brach auch in Hamburg der Wohnungsbau ab 2022 massiv ein. Und während die Mieten unvermindert stiegen, offenbarte sich beim Elbtower, beim Holsten-Areal und beim Esso-Gelände die selbst gewählte Machtlosigkeit, wenn Investoren nicht das einhielten, was SPD und Grüne gutgläubig für ein Versprechen hielten.

„Es war falsch, wie es damals gelaufen ist“, räumte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf kürzlich im taz Salon im Hinblick auf das Holsten-Areal ein. Die angesichts des Bevölkerungswachstums dringend notwendige Umwandlung des ehemaligen Brauereigeländes in Altona in ein neues Wohnquartier für bis zu 3.500 Menschen sollte nach den ursprünglichen Planungen in ersten Schritten bereits 2021 abgeschlossen sein.

Doch die Stadt kaufte das Gelände nicht von der scheidenden Brauerei, sondern ließ zu, dass es an einen Investor verkauft wird. Gebaut wurde nicht, stattdessen wechselte das Grundstück mehrfach gewinnbringend den Besitzer; die Hoffnung auf einen Baubeginn zerschlug sich in den vergangenen zwei Jahren, weil der Eigentümer, der Immobilienkonzern Adler, in finanzielle Turbulenzen geriet. „Immer selbst kaufen“ sei in solchen Fällen die Lehre aus dem Fehler, sagt Kienscherf heute.

Stadt könnte Vorkaufsrecht nutzen

Eine zufriedenstellende, wenn auch kostspielige Lösung könnte der Kauf des Geländes durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga sein. Diese hat bereits Kaufinteresse bekundet, müsste sich aber erst in dem seit Kurzem laufenden Bieterverfahren durchsetzen.

Nun stünde der Stadt ein ebenso üblicher und möglicherweise günstigerer Weg offen: Sollte sich ein Käufer finden, könnte die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausüben. „Sollte es zu einem Verkaufsfall kommen, prüft die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH), ob und welche einschlägigen Vorkaufsrechtstatbestände vorliegen“, bestätigt der Senat auf Anfrage der Linksfraktion. „Das muss sie jetzt nutzen, damit die Spekulation endlich aufhört“, fordert demnach die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann. Statt eines durch Spekulation in die Höhe getriebenen Preises müsste die Stadt dann nur den aktuellen, gutachterlich ermittelten Verkehrswert zahlen.

Auch beim Esso-Gelände an der Reeperbahn auf St. Pauli ist es die Saga, die dank gut gefüllter Rücklagen einen für die Hamburger Politik peinlichen Zustand beenden will: Ähnlich wie beim Holsten-Areal will auch der Eigentümer des Esso-Geländes an der Reeperbahn die seit Jahren brach liegende Fläche nicht mehr selbst bebauen.

Eine Realisierung der ursprünglichen Pläne hätte SPD und Grünen gut zu Gesicht gestanden, denn nach langen Protesten wurden Anwohner:innen-Initiativen in die Planungen einbezogen; mittels einer „Planbude“ konnten weitreichende Forderungen durchgesetzt werden – etwa, dass frei zugängliche Flächen auf den Dächern geschaffen oder eine Stadtteilkantine eingerichtet werden sollten. Allein: Der Eigentümer hielt sein Wort nicht, und so setzt die Saga nun zwar komplett auf den Bau von Sozialwohnungen; von den über die Planbude ausgehandelten Forderungen der An­woh­ne­r:in­nen ist aber nicht viel übrig geblieben.

Elbtower: Versprechen droht gebrochen zu werden

Auch vom Versprechen des rot-grünen Senats, dass die Stadt keinen Cent zur Realisierung des Elbtowers beitragen werde, könnte nicht viel übrig bleiben. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wurde in den vergangenen Monaten nicht müde zu betonen, dass es sich beim Elbtower um ein rein privatwirtschaftliches Projekt handele – und die Stadt deshalb nach der Insolvenz der ­Signa-Gruppe von René Benko nichts zur Fertigstellung beitragen werde.

Doch intern wird derzeit geprüft, ob nach Fertigstellung des Elbtowers nicht ein knappes Drittel der Nutzfläche für das seit Langem geplante Naturkundemuseum angemietet werden könnte. Für die Investoren, die den Elbtower aus der Insolvenz holen und fertigstellen wollen, wäre das ein Geschenk: Langfristig würden so hohe Mieteinnahmen aus öffentlichen Kassen fließen. Doch das soll erst in aller Ruhe nach der Bürgerschaftswahl entschieden werden.

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