Baumfällungen auf der Landsberger Allee: 63 Bäume für sechs Spuren
Damit der Autoverkehr weiter rollt, wurden auf der Landsberger Allee 63 Bäume gefällt. Anwohner sind empört, selbst Autofahrer sind dagegen.
Die Berliner Wasserbetriebe müssen Trinkwasser- und Abwasserleitungen ersetzen. Dafür wird die Hauptverkehrsader im Osten aufgerissen. Sechs Fahrspuren dienen dem Pendlerverkehr aus Marzahn und Brandenburg stadtein- und stadtauswärts. Damit keine davon wegfällt, mussten die Bäume weichen.
„Ich verstehe, dass die Leitungen ausgetauscht werden müssen“, sagt Strietzel. Im Dezember hatten 450 Menschen in der nahe gelegenen Bernhard-Bästlein-Straße stundenlang kein fließendes Wasser. Aber als Anwohnerin hätte sie gerne vorher über die Baumfällungen Bescheid gewusst – und ob es Alternativen gab. Erst am 6. Februar verschickte der Bezirk Lichtenberg eine Pressemitteilung über die „notwendige Baumfällung“. Vier Tage später waren sie bereits weg.
„Warum diese Zerstörung, wenn es Möglichkeiten gäbe, durch Fahrbahneinschränkungen ebenso die Arbeiten zu ermöglichen?“, heißt es in einer Petition auf change.org, die 128 Unterschriften gegen die Fällung gesammelt hat. Die Wasserbetriebe wollen erst im März weitere Informationen zu der „seit mehreren Jahren und mit einer Vielzahl von Behörden vorbereiteten Baustelle“ bereitstellen, so ein Sprecher zur taz. Auch das Bezirksamt will sich nicht dazu äußern, ob andere Umleitungsmaßnahmen in Betracht gezogen wurden.
Baum-Volksbegehren bereitet Klimaanpassungsgesetz vor
Dass 63 Bäume an einem Tag gefällt werden, will das Baum-Volksbegehren in Zukunft verhindern. Die Initiative will bis Ostern ein Klimaanpassungsgesetz erarbeiten, durch das Grünflächen und Bäume geschützt werden. Für die Bäume und Anwohner der Landsberger Allee kommt das zu spät. Doch für andere könnte es noch die Rettung sein: In Reinickendorf wehrt sich eine Bürgerinitiative gegen ein Wohnprojekt, für das 244 Bäume gefällt werden sollen. In Pankow sind 144 Bäume durch Neubauprojekte gefährdet.
Anwohner Gerd Lichtenberger hat wie F. Strietzel nichts von den Plänen gehört. Er hat nur die Baumstümpfe bemerkt. Er steht vor seinem Auto auf einem Netto-Parkplatz. „Dass Pendler länger im Stau stehen müssten, wenn es weniger Fahrspuren gäbe, wäre natürlich ärgerlich“, sagt er. Er fährt jeden Tag auf die Landsberger Allee und ist trotzdem besorgt: „Im Sommer wird es keinen Schatten geben, wenn man im Verkehr feststeckt“, sagt er.
Auf dem Parkplatz neben Lichtenberger steigt Gabriele Nies aus ihrem Auto aus. Auch sie wohnt ein Stück weiter die Straße hinunter und fährt jeden Tag auf der Hauptverkehrsstraße. „Ich stehe lieber im Stau, als dass hier Bäume gefällt werden“, sagt sie der taz. „Wir wollen eine grüne Stadt, nicht eine Stadt voller Beton und Autos.“
Für Anwohnerin Strietzel steht die Baumfällung an der Landsberger Allee symbolisch für die Berliner Verkehrspolitik. Anstatt Anreize zu schaffen, vom Auto auf Bus, Bahn oder Fahrrad umzusteigen, müssen 63 Bäume für den Autoverkehr weichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!