Baum-Debatte im Abgeordnetenhaus: „Das wird es mit der CDU nicht geben“
Im Plenum lehnen die Christdemokraten zentrale Punkte der Klimainitiative ab. Die Grünen befürchten Trickserei, die SPD ist zwischen Baum und Borke.
Über 33.000 Unterschriften hat die Initiative „Baumentscheid“ ab Ende 2024 gesammelt, um ihr Anliegen auf den Weg zu einem Volksentscheid zu bringen, nötig waren 20.000 gültige. Damit könnte eine zweite Sammelstufe starten. Bei der wären rund 170.000 Unterschriften nötig. Kämen die zusammen, gäbe es parallel zur Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2025 einen Volksentscheid – falls das Parlament nicht den ausgearbeiteten Gesetzentwurf der Initiative übernimmt.
Danach sah es lange nicht aus. Die SPD sympathisiert zwar mit der Idee, 300.000 Bäume zu pflanzen, aber der schwarz-rote Senat lehnte das Vorhaben Anfang Juli ab – „wegen der damit verbundenen Kosten von mindestens 7,2 Milliarden Euro für den Zeitraum 2025 bis 2040“, hieß es zur Begründung. Außer um neue Bäume geht es um ihre Pflege, Mini-Parks und Grünflächen, einen Kontrollrat und um ein Klagerecht für Umweltverbände.
Am Samstag aber hatte Regierungschef Kai Wegner beim Landesparteitag seiner CDU überraschend ankündigt, man werde auf die Initiatoren zugehen und ein gemeinsames Vorgehen absprechen. Und am Montag unterstützen nach einer Sondersitzung des Umweltausschusses die Koalitionsfraktionen grundsätzlich das Anliegen.
Kein Platz für neue Bäume?
Wie das Grundsätzliche aber mit wirklicher Überzeugung kollidiert, zeigt sich am Donnerstag im Plenarsaal vor allem bei einer Zwischenfrage aus der CDU-Fraktion an den Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux. Der steht am Redepult und der CDU sowieso misstrauisch gegenüber und soll nun erklären, warum eine grüne Parteifreundin von ihm als Umweltstadträtin zwei Millionen Euro liegen gelassen habe, die für Baumpflanzungen gedacht waren. Für Lux ist diese Frage eine willkommene Vorlage: „Weil Sie (gemeint ist die CDU, d. taz) sich wie die heilige Theresa vor jeden Autoparkplatz ketten, deshalb gibt es keine neuen Standorte für Bäume.“
Während Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch schon tags zuvor gedrängt hat, das Gesetz vollständig zu übernehmen, „ohne Abstriche, ohne Aufweichung“, sieht die CDU das ganz anders. „Was hier im Raum steht, ist de facto nicht möglich“, behauptet ihr Umweltpolitiker Freymark. Und darum soll bald ein eigener Gesetzentwurf der Koalition vorliegen und beschlossen werden. Das müsste bis zum 3. November passieren, weil dann seit der Ablehnung durch den Senat jene vier Monate Bedenkzeit abgelaufen sind, die die Verfassung dem Abgeordnetenhaus dazu einräumt. Danach könnte ansonsten die zweite Sammelphase Richtung Volksentscheid im September 2026 starten.
Bloß ein ähnlich geartetes Gesetz zu beschließen, reicht aber laut Verfassung nicht aus. Das ist nur möglich, wenn das Parlament das Anliegen – wie es in Artikel 62, Absatz 3 heißt, „inhaltlich in seinem wesentlichen Bestand unverändert annimmt“. Redner von Grünen und Linken warnten die Koalition, auf diese Weise das Begehren aushebeln zu wollen. Lux befürchtet, Schwarz-Rot werde die Initiative nötigen, eine zahnlose Variante ohne Druck- und Kontrollmittel anzunehmen oder ans Verfassungsgericht gehen.
Das würde das Vertrauen in die Politik weiter untergraben, befürchtet Michael Efler von der Linksfraktion. Bei einem solchen Gerichtsverfahren wäre ein Volksentscheid am Wahltag im September 2026 zeitlich nicht mehr möglich.
SPD-Kritik an Senatorin Bonde
Was würde nun SPD-Umweltpolitikerin Linda Vierecke sagen, die nach Lux Redepult steht? Sie teilt das Anliegen der Baum-Initiative schon lange und dürfte die CDU-Einschränkungen nicht sonderlich begrüßen. „Dass Sie und Ihr mit an Bord seid, das hätte ich nicht erwartet“, beginnt sie mit Dank Richtung Christdemokraten. Und sichert einen fristgerechten Gesetzentwurf der Koalition zu – „vor dem 3. November wird etwas passieren in diesem Haus.“
Richtung CDU-Umweltsenatorin Ute Bonde aber sagt Vierecke: Der Einsatz für Bäume „ersetzt nicht, was Sie im Umweltbereich gekürzt haben.“ Der Linken-Abgeordnete Efler wird ihr als nächster Redner hinterher rufen: „Frau Vierecke, das war eine schöne Oppositionsrede“.
Und Bonde selbst, die zuständige Senatorin? Die hat warme Worte für die Initiative – „ganz, ganz herzlichen Dank für Ihr Engagement“ – und behauptet eingangs: „Dieser Senat investiert bereits massiv in den Klimaschutz.“ Beim Gesetzentwurf sind für sie zwei Dinge zentral, nämlich die Finanzierbarkeit und die Umsetzbarkeit. Das gilt für sie vor allem mit Blick auf die marode Haushaltslage: Die geschätzten Kosten – pro Jahr wären es rund 500 Millionen Euro – stellten „eine veritable Herausforderung dar.“
Wie es weiter geht und ob Schwarz-Rot tatsächlich zügig einen eigenen Gesetzentwurf vorlegt, könnte sich nächste Woche Donnerstag im Umweltausschuss zeigen. Das Anliegen der Baum-Initiative steht schon jetzt als Punkt 3 auf der Tagesordnung der Sitzung in Raum 376 des Parlaments.
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