Baufirma wegen Schwarzarbeit verurteilt: Die Fassade glänzt
Mit ihrer Bremer Baufirma haben die K.s die Sozialversicherung geprellt. Ihr Unternehmen haben sie an eine dubiose Firma vertickt.
Mit Strafbefehlen ist der Prozess gegen das Paar am Montag nach knapp drei Stunden nach Eröffnung statt wie angesetzt im Juni nach acht Verhandlungstagen zu Ende gegangen. Jeweils ein Jahr zur Bewährung, so ist es ausgemacht.
Und jetzt kommen die Geldforderungen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte schon während der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einen Nachzahlungsbescheid über eine Million Euro an die K-GmbH adressiert. Laut Frank Ammerich, Verteidiger der Frau K., wollte die DRV erst einmal den Ausgang des Verfahrens abwarten. Und bei Sozialversicherung und Berufsgenossenschaft wurden fast bei jeder Abrechnung Beiträge einbehalten.
Anfangs ging es nur um ein paar tausend Euro, aber nach und nach traute man sich offenbar mehr. Rekordmonat war schließlich der Oktober 2015 mit 49.000 Euro Schummelkohle.
Die Beträge läppern sich
Im November drauf ertricksten die K.s sich nach Berechnung der Staatsanwaltschaft noch einmal fast 40.000 Euro. Über die Jahre kommt da was zusammen: die Gesamtsumme wird auf 663.886,10 Euro beziffert. Die Frage ist nur: Wer soll das bezahlen?
Am Ende wahrscheinlich: keiner. Denn die Beweislage war alles andere als klar. So hatte Anwalt Arif Kaya als Vertreter des Ehemanns vor Gericht beteuert, nicht die Herr, Frau und Firma K., sondern die zahlreichen von ihnen beauftragten Sub-Unternehmen hätten wohl die Abgabenpflicht vernachlässigt.
Dass sie das überwiesene Geld für die entsprechenden Rechnungen in bar abgehoben hätten, habe nicht, wie von der Anklage unterstellt, dazu gedient, es zurückfließen zu lassen. „Das deutet doch eher darauf hin, dass es dort Schwarzarbeit gegeben hat“, so Kaya. Klar sei nur, „dass es Schwarzarbeit gegeben hat“, stellte auch der Vorsitzende Richter Hans Ahlers fest. Wer dafür verantwortlich sei, hätte eine aufwändige Beweisaufnahme erfordert.
Sprich: sich auf einen solchen Deal einzulassen, wäre schon irrwitzig gewesen, wenn Familie K. nicht irgendwo eine Chance sehen würde, die Forderungen ins Leere laufen zu lassen. „Das ist so unklar“, sagen die Anwälte nach dem Prozess auf die Frage ob jetzt ihre Mandanten den ganzen Schotter aufbringen müssen.
Und klar, persönliche Haftung gibt’s, aber dass sich auf den Familienkontos zwei Millionen stapeln, ist eher unwahrscheinlich. Und die veröffentlichten Bilanzen ihres Bauunternehmens weisen einen Jahresüberschuss von maximal 70.000 Euro aus. Außerdem haben sie ihr Unternehmen diesen März vorsichtshalber veräußert.
„Die Eheleute K. hatten die Schnauze voll“, sagt Anwalt Kaya. Erworben hat die K.-GmbH ein Unternehmen. Das hat einen wohlklingenden Namen mit Hanse und einen Briefkasten in Berlin-Lichterfelde: Nennen wir es die H.-GmbH.
Briefkastenfirma kauft Bauunternehmen
Sie residiert dort als Untermieterin im etwas ranzigen Schnellbau-Pavillon einer Ferienfahrschule, die mit Fassadenarbeiten ganz offenkundig noch nie zu tun hatte. Die Kompetenz der neuen alleinigen Gesellschafterin der Bremer K.-Bau umfasst laut Handelsregister Charlottenburg „Dienstleistungen in sämtlichen nicht erlaubnispflichtigen Tätigkeitsfeldern“, und zwar „speziell in den Bereichen der IT-Dienstleistungen, Softwaredienstleistungen, Softwareberatung, Softwarepflege und Unterstützung und allgemeine Reparaturdienste für Smartphones“. Rufnummer hat sie auch, die H.-Gmbh, Ehrensache, wenigstens mobil. Sie ist aber gerade temporarily not available.
Ihr Gründer ist ein Lübecker Briefkastenunternehmer. Der tritt, lustig, auch in Hamburg und Umland als Personaldienstleister in Erscheinung. Als Ehrenamt gibt er an, aus den Sozialkassen finanzierte Weiterbildungen von Arbeitslosen zu Sicherheitspersonal durchzuführen. Auch einem in ganz Deutschland aktiven Abmahn-Verein, der andere Rechtspersonen bedrängt hat, sich durch ihn gegen Geld im kostenfreien Transparenzregister des Bundes eintragen zu lassen, hatte er vorgesessen.
Die Masche war aber schnell aufgeflogen und der Verein wurde nie beim zuständigen Amtsgericht ins Register eingetragen. Seine Berliner H.-GmbH hat er just im Frühjahr seiner Frau überlassen. Familienunternehmen stehen halt für Solidität. Und die Fassade können sie sich jetzt auch schön machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los